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Arcanum – Das Geheimnis

Arcanum – Das Geheimnis

Titel: Arcanum – Das Geheimnis
Autoren: Andreas Geist
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gebildet hatte.
    Der neue Gott hieß erst einmal Wachstum, Wohlstand und Konsum, und er wollte keine anderen Götter neben sich haben. Die ewigen Mahner und Nörgler wurden durch täglich neue Errungenschaften der Technik Lügen gestraft, bis nur noch ganz hart gesottene ihrer Linie treu blieben und stumm die Katastrophe dokumentierten, in die die Menschheit hineinrannte.
    Peter Campbell war als blutjunger Ölarbeiter 1948 bei der Entdeckung Ghawars dabei gewesen. Damals war die Arabian American Oil Company noch fest in US amerikanischer Hand und begriff nur langsam, dass sie das größte Ölfeld der Welt angebohrt hatte. Heute war die Aramco im Besitz des saudischen Königshauses und Ghawar , der König der Könige, war ein besonders geschätztes Mitglied der Familie.
    Aus Ghawar stammten noch immer sechzig Prozent der saudischen Ölförderung und sechs Prozent des weltweiten Ölbedarfs. Damit war Ghawar mehr als ein König, er war ein schwarzer Gott. Seine schwarze Seele gebot ihm nun, da die Welt ihn am dringendsten brauchte, sich schadenfroh abzuwenden. Inzwischen mussten die Saudis pro Tag acht Millionen Barrel Meerwasser in ihn hineinpumpen, um eine Brühe zu fördern, die aus einem Drittel Wasser bestand und nur noch ansatzweise an das schwarze Gold der Anfangszeit erinnerte. Die verzweifelte Suche nach Ersatzfeldern war buchstäblich im Sand verlaufen. Peter Campbell wusste es seit Jahren, denn während Politiker gerne um den heißen Brei redeten und Probleme ihren Nachfolgern im Amt hinterließen, war er es als Wissenschaftler gewohnt, Tatsachen emotionslos ins Auge zu blicken, und diesmal sah es sehr trübe aus. Die großen Förderfirmen hatten durch chemische Tricks die Förderquoten gesteigert und damit den Druckabfall seit dem Peak Oil nur noch zusätzlich beschleunigt. Peak Oil , der Umkehrpunkt der Hubbertschen Glockenkurve, die maximal mögliche Förderquote, lag hinter ihnen, darüber waren sich alle stillschweigend einig. Ob dieser Punkt bereits 2005 oder später überschritten wurde, spielte keine Rolle mehr. Tatsache war, dass ab diesem Dezember 2012 der weltweite Ölbedarf nicht mehr gedeckt werden konnte. Angebot und Nachfrage liefen von jetzt ab auseinander und das war das Todesurteil einer Welt, die knapp hundert Jahre lang so wunderbar funktioniert hatte, ohne sich darum zu scheren, wie es danach weitergehen sollte.
    Die Ölkrise im Jahre 1973 hatte vielen die Augen geöffnet für eine Abhängigkeit, die so vollkommen war, dass eine Rezession mit weitreichenden Folgen die gesamte Welt wie ein Keulenschlag traf. Damals hatte die OPEC ihre Rohölförderung als Protest gegen die Politik Israels um nicht mehr als lächerliche fünf Prozent gedrosselt. Ab jetzt würde die weltweite Ölproduktion ebenfalls um fünf Prozent zurückgehen, ...pro Jahr.
    Bis 2030 würde die Tagesförderung um dreiundsechzig Prozent auf nur noch dreißig Millionen Barrel abfallen. Die Folgen konnte sich niemand ausmalen, denn alternative Energien gab es kaum, und die Politiker erklärten gerne, dass schließlich erst die Hälfte des weltweiten Erdöls verbraucht sei. Das Öl ging noch nicht zu Ende, aber das billige Öl.
    Das wäre die ehrliche Weihnachtsbotschaft der Politiker an die Völker der Erde, wenn sie den Mut dazu hätten. Ab jetzt würden Kriege entscheiden, wer wie viel abbekam, und von diesem Tag an war der Untergang des kapitalistischen und monetären Systems nicht mehr aufzuhalten. Warum hatten die Menschen aus der Erfahrung der siebziger Jahre nichts gelernt? Peter Campbell kannte die Antwort nicht. Die Bedeutung dieser Frage relativierte sich allerdings, wenn man sah, wie großzügig die Lenker der Nationen mit der Verschmutzung der Atemluft und des Trinkwassers umgingen. Ohne Luft konnte ein Mensch wenige Minuten überleben, ohne Wasser ein paar Tage, warum sollte man sich allzu sehr um das Öl sorgen, ohne das die Menschheit sehr gut über Jahrmillionen ausgekommen war?
    Sie täuschten sich alle über die Bedeutung des Peak Oil .
    Er war mit seiner verstorbenen Frau zu ihrem fünfzigsten Geburtstag nach Venedig gereist. Die Reise war für ihn zum Albtraum geworden, ohne dass seine Frau etwas davon ahnte. Er lebte ständig in der Angst, dass die verrottenden Baumstämme in der Nacht brechen könnten, die seit Jahrhunderten das Gewicht der Stadt trugen. Niemand kannte ihren tatsächlichen Zustand und die Sorglosigkeit, mit der die Venezianer feierten und abends zu Bett gingen, hatte ihn schier
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