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Arcanum – Das Geheimnis

Arcanum – Das Geheimnis

Titel: Arcanum – Das Geheimnis
Autoren: Andreas Geist
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begann…

1.
     
    Das Gleichgewicht der Natur wird verloren gehen, wenn die Wellen des Ozeans die Strände nicht mehr achten.
     
    (Die aztekischen Prophezeiungen des Quetzalcoatl)
     
    Am 10. Baktun, des 8. Katun, des 19. Tun, des 6. Uinal, des 5. Kin der langen Zählung, was dem einundzwanzigsten Dezember des Jahres 1006 der christlichen Zeitrechnung entsprach, hatte Acatl nach einem langen Fußmarsch von Tollan Xicocotitlan, dem Ort der Binsen, mit vier Priestern und Kolibrifeder die heilige Stätte Tulum am großen Meer im Osten erreicht. Sie waren dem unbekannten Stern gefolgt, der am Himmel erschienen war und so hell leuchtete wie der Vollmond. Er hatte alle in große Angst versetzt.
    Acatl erkannte das Zeichen, das seinem Vater zu seiner Geburt prophezeit worden war, und als die vier Wundmale an seinen Händen und Füßen erschienen, wusste er, dass es Zeit wurde aufzubrechen.
    Ce Acatl Topiltzin Quetzalcoatl oder Fürst ein Rohr gefiederte Schlange, wie sein Name vollständig lautete, war höchster Priester und König der Tolteken.
    Seit seiner Geburt waren die fünf unglücklichen Tage, an denen die Pforten der Unterwelt offen standen, neunundfünfzigmal zurückgekehrt, sodass er in seinem Volk als alter Mann galt. Er war aus einem anderen Holz geschnitzt als seine Vorgänger. Acatl war groß gewachsen, hatte dichtes, noch immer pechschwarzes Haar und eine Haut, die an reife Kakaobohnen erinnerte. Er war athletisch gebaut und hatte ein Leben lang in allem Maß gehalten. Er aß bewusst, beinahe andächtig, mied das Fleisch toter Tiere, lehnte Menschenfleisch strikt ab und hatte nie etwas anderes getrunken als Kokosmilch und Wasser.
    Deshalb hatte er die lange Reise auch besser überstanden als seine Mitreisenden, die jünger, aber nun weitaus entkräfteter waren als er.
    Acatl verabscheute das Abschlachten von Menschen und wehrte sich gegen die grausamen Opferrituale, mit denen die Völker Yucatáns schon immer ihre blutrünstigen Götter befriedigt hatten.
    Deshalb zweifelte er lange an seiner Vision.
    Würde das Blutopfer seines Lebens das Leben der anderen retten? Nun hatte er aber sein eigenes Schicksal auf seiner letzten Traumreise so deutlich gesehen wie nie zuvor.
    Tezcatlipoca , der Gott der Nacht, würde das Gleichgewicht der Kräfte verlassen und alle Macht an sich reißen. Dann würde er am Ende des Äons die Welt und alles Leben auslöschen.
    Ein Albtraum von panischen Menschen in silbernen Gewändern trieb ihm den Schweiß aus allen Poren, sodass er sich stöhnend auf seinem Lager hin und her warf und sich schließlich benommen aufrichtete. Es war noch Nacht, und lediglich das beruhigende Rauschen der Brandung drang an sein Ohr.
    Kolibrifeder, die nach den vielen gemeinsamen Jahren seine engste Vertraute geworden war, schlug von seinem Stöhnen aufgeschreckt energisch die Zeltplane zurück.
    Acatl wandte sich ihr zu.
    „Habt ihr meinen Auftrag ausgeführt?“, fragte er Kolibrifeder streng. Er bedauerte sofort die Schärfe seines Tones, in dem die Anspannung der letzten Tage lag. Als er das traurige Gesicht der jungen Frau sah, fuhr er mit einem Lächeln fort:
    „Versuche mich zu verstehen, Kolibrifeder. Ich finde jetzt und hier zu jener Bestimmung, die für mich zum Zeitpunkt meiner Geburt festgelegt wurde. Meine Visionen haben uns sicher hierher geführt zu dem einen Zweck, den ich Dir erklärt habe. Ich muss mit dem Floß, das ihr für mich gebaut habt, hinausfahren in den Sonnenaufgang, damit der Gegenstand, den ich mitnehme, auf seine Reise geht. In diesem Gegenstand ruht unser aller Schicksal am letzten Tag der Zeit“.
    Kolibrifeder entzündete ein Binsenlicht. Dann schaute sie ihren Herrn bekümmert an.
    „Alles geschehe, wie Du es sagst, Meister. Das Floß steht bereit“.
    Ihre Augen waren gerötet, und Acatl begriff mit einem Mal, dass die junge Frau mehr für ihn empfand, als er geahnt hatte. Er entschloss sich gegen seine ursprüngliche Absicht, ihr die ganze Wahrheit zu offenbaren, als Zeichen des Vertrauens, aber auch als schwerste Bürde, die er ihr auferlegen konnte.
    „Was ich Dir nun erzähle, wird an einem fernen Tag geschehen. Du weißt, dass das Geheimnis der Zeitreisen von den höchsten Priestern der Tolteken gehütet wird, da in ihm eine große Gefahr lauert. Greift man auf diesen Reisen in den festgelegten Gang der Dinge ein, dann kann es passieren, dass das große Rad der Zeit für immer zum Stillstand kommt, und mit ihm alles Leben.“
    Kolibrifeder nickte und
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