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Arcanum – Das Geheimnis

Arcanum – Das Geheimnis

Titel: Arcanum – Das Geheimnis
Autoren: Andreas Geist
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wahnsinnig gemacht. Dieses Bild hatte sich tief bei ihm eingeprägt und wurde für ihn zu einem Symbol für das Verständnis menschlichen Verhaltens, das sich nur selten in rationalen Bahnen bewegte. Viel stärker als der Verstand, der eine junge Entwicklung der Evolution war und sich offensichtlich noch im Stadium des Probelaufs befand, war der archaische Instinkt des Neandertalers, das Heute zu genießen, weil das Morgen bereits im Bauch eines Raubtieres enden konnte.
    Dieser Instinkt hatte für Jahrmillionen ausgereicht. Schlussendlich hatte er seine Urgroßeltern die Reise in die Ungewissheit antreten lassen, doch die Welt hatte sich in den vergangenen hundert Jahren dramatisch verändert. Der Mensch hatte es als erste Spezies geschafft, die Grenzen der Regenerationsfähigkeit seines Heimatplaneten zu überschreiten. Er musste seinen Verstand benutzen, um für die Zukunft zu planen, sonst würde es keine Zukunft geben.
    Die Stoppuhr für den Countdown des Ölzeitalters startete erbarmungslos mit dem Sprudeln der ersten Ölquelle. Bereits 1956 hatte Collin Campbell, der nicht mit ihm verwandt aber ebenso Geologe der Ölindustrie gewesen war, den Peak Oil erstaunlich genau für das Jahr zweitausend vorhergesagt und damit den Politikern und Wissenschaftlern einen Zeitrahmen vorgegeben, in dem sie eine vernünftige Lösung hätten finden können.
    Peter hatte immer wieder gemahnt, mit den astronomischen Gewinnen aus dem Ölgeschäft eine ganz neue Industrie der alternativen Energien aufzubauen und die Kernfusion mit maximalem Einsatz voranzutreiben, doch er war auf die tauben Ohren der Neandertaler und Venezianer gestoßen, die lieber feierten, bis das Fundament unter ihren Füßen wegbrach. Als ihn seine Vorgesetzten schließlich höflich aber bestimmt vor die Wahl stellten die Klappe zu halten, oder sich einen neuen Job zu suchen, war er in den Untergrund gegangen, und der hieß Sierra Club.
    Dort lernte er eine neue Perspektive dessen kennen, was er für den Supergau des einundzwanzigsten Jahrhunderts gehalten hatte.
    Es gab eine Zeit nach dem Öl. Ein Großteil der Weltbevölkerung würde zwar verhungern, weil Kunstdünger, Pestizide und Maschinen zur Bewirtschaftung der Monokulturen vom Öl abhingen, doch es würden genügend Menschen überleben, um von vorne anzufangen. Eigentlich hatte er ein Leben lang geglaubt, er könne einen Beitrag dazu leisten, dass eines Tages alle Menschen durch das Öl, das er entdeckte, erreicht würden, um ihnen Nahrungsmittel, Saatgut, amerikanische Werte und einen Wohlstand zu bringen, wie ihn seine Urgroßeltern selbst im Land der unbegrenzten Möglichkeiten vorgefunden hatten. Er hatte sich eingeredet, dass dies die heroische Aufgabe der Vereinigten Staaten sei, doch es war anders gekommen.
    Amerika war zu einer Diktatur der Konzerne verkommen, deren obszöner Reichtum immer absurdere Höhen erreichte, während der größte Teil der amerikanischen Bevölkerung verarmte.
    Das hatten sie letztendlich den Rest der Welt gelehrt:
    Werde Deines eigenen Glückes Schmied und schmettere Deinen Hammer auf die Köpfe der anderen, wenn es dir nur nützt.
    Die Kluft zwischen Reich und Arm war durch sein Öl weltweit größer geworden denn je. Vielleicht war die kommende Katastrophe die Chance für einen besseren und gerechteren Neuanfang. Die Mehrzahl der Menschen lernte nur durch Schmerz. Je größer der Schmerz, desto größer der Lerneffekt. Er schüttelte über diese bittere Erkenntnis unglücklich den Kopf.
     
    Die Vorstände seines alten Konzerns griffen gerne ungeachtet seines hohen Alters auf seinen reichen Erfahrungsschatz zurück und holten ihn nicht selten für kniffelige Explorationsentscheidungen in ihr Hauptquartier, das ebenfalls in Houston lag.
    Im Gegenzug versorgten sie ihn mit aktuellen Daten über die Lage der weltweiten Erdölförderung, die er vorgab, für sein Ruhestandshobby zu benötigen und stets vertraulich behandelte.
    Im Januar dieses Jahres hatte man seine Zugangskarte zum Gebäude und sämtliche Zugangscodes für die Computer gesperrt. Es lag nicht daran, dass er in die Führungsriege des Sierra Clubs aufgestiegen war, der sich jetzt vornehmlich die Aufklärung der Menschen über Peak Oil und die Zeit danach zum Ziel gesetzt hatte.
    Niemand bei ExxonMobil verdächtigte ihn oder hätte es dem alten Ölmann Peter Campbell jemals zugetraut. Der Gedanke schien zu absurd. Es lag vielmehr daran, dass diese Daten von höchsten Regierungsstellen als streng geheim
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