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Arcanum – Das Geheimnis

Arcanum – Das Geheimnis

Titel: Arcanum – Das Geheimnis
Autoren: Andreas Geist
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weniger der Ehrgeiz, den Ruhm ganz für sich zu beanspruchen als vielmehr die Befürchtung, es könnte sich alles in Luft auflösen, und er würde sich für Jahre zum Gespött der astronomischen Fachwelt machen.
    Nachdem er einige Stunden lang Daten gesammelt hatte, konnte er das Gebiet auf eine Bogenminute eingrenzen und vergrößern. Jetzt suchte er nach einer starken Strahlungsquelle, die dort nicht hingehörte.
    Er wurde fündig. Da war ein punktförmiges Objekt, dessen Strahlungstemperatur bei schätzungsweise hunderttausend Kelvin lag. Es strahlte also, verdampfte langsam und hatte eine Masse, die millionenfach über tausend Tonnen lag. Da es kein sichtbares Licht emittierte, brauchte er Unterstützung von anderer Seite.
    Die Radioastronomen würden mehr herausfinden. Er hatte einen guten Freund in Arecibo auf Puerto Rico, wo sich mit über dreihundert Metern Durchmesser der zweitgrößte Reflektor der Welt in einen natürlichen Talkessel schmiegte und in Steves Geburtsjahr 1963 bereits seinen Dienst aufgenommen hatte. Er schaute auf die Uhr und rechnete nach, wie spät es dort war. Er lächelte zufrieden, dann wählte er die Nummer von Glenn Horn.

16.
     
    Arecibo war eine grüne Hölle im Dschungel, weit ab von all dem, was man nach Glenn Horns Meinung als Zivilisation bezeichnen konnte.
    Dazu gehörte für ihn unbedingt Coca Cola mit Eis in einem Pappbecher mit Deckel und Röhrchen, sowie eine Pappschachtel mit einem saftigen Hamburger.
    Kurz: die Insignien der überlegenen Kultur des amerikanischen Volkes, zu dem er sich stolz zählte.
    Er war ein unbeirrbarer Fan der Indiana-Jones-Filme geworden, als er die Schule verließ, und träumte immer von einem ungebundenen Leben als Abenteurer. Der ultimative Film, der ihm seine kulturelle Identität für alle Zeit verleihen sollte, war Mosquito Coast . Er war mehr und mehr in die Rolle des Hauptdarstellers Harrison Ford geschlüpft. Keiner seiner Freunde hatte die subtile Botschaft verstanden, die in dem zentralen Satz kumulierte:
    Eis ist Zivilisation .
    Nun war er vor fünf Jahren nach dem Studium der Physik, Mathematik und Astronomie freiwillig an seiner ganz persönlichen Mosquito Coast gelandet. Er war hochbegabt, befand sich aber der Meinung seiner engsten Freunde nach unmittelbar an der Schwelle zu einem liebenswürdigen Wahnsinn, wie es vielen Genies nachgesagt wurde. Er überschritt diese Schwelle zeitweise aber nie endgültig.
    Einer dieser Übertritte war ein Projekt, das er fanatisch mit unbedingter Überzeugung verfolgte. Er versuchte ein würdiger Vertreter amerikanischer Werte zu sein, indem er seine Freizeit damit verbrachte, eine Eiswürfelmaschine zu konstruieren, die alleine mit Sonnenenergie betrieben wurde und so robust, wartungsarm und einfach war, dass sie selbst von jemandem ohne Schulbildung in Schuss gehalten werden konnte.
    Ein sinnvoller und funktionstüchtiger Solarkocher war bereits erfolgreich weltweit im Einsatz, den er zwar nicht entwickelt hatte, aber mithilfe reicher Sponsoren in großen Mengen bauen ließ und an bedürftige Familien verteilte.
    Wenn man ihn allerdings persönlich fragte, so war Menschenwürde weniger mit täglich einer warmen Mahlzeit verbunden als mit der allgegenwärtigen Verfügbarkeit von Eiswürfeln, mit denen man die Haltbarkeit von Nahrungsmitteln erheblich steigern und, was viel wichtiger war, jede untrinkbaren, warmen Brühe in ein göttliches Elixier verwandeln konnte.
    Er schaute verärgert vom Prototyp seiner Maschine auf, als das Telefon klingelte. Glenn war nicht im Dienst und hatte eigentlich keine Lust seine Arbeit zu unterbrechen. Der Anrufer war hartnäckig, und nach dem zehnten Klingeln gab er sich resigniert geschlagen. Er griff nach dem Hörer.
    Seine Miene hellte sich auf. Am anderen Ende meldete sich Steve Watson vom Mauna Kea. Sie waren im gleichen Alter und hatten bereits flüchtige Bekanntschaft während des Studiums gemacht. Eine enge Beziehung war allerdings erst über die gemeinsame Arbeit entstanden, und sie schätzten sich, weil jeder auf seinem Gebiet ein herausragender Spezialist war.
    Sie stellten zudem schnell fest, dass sie neben ihrer Ernsthaftigkeit eine weitere gemeinsame Wellenlänge hatten, die es ihnen erlaubte, selbst nach monatelanger Funkstille stundenlang am Telefon herumzublödeln. Genau das brauchte man, um die Langeweile der einsamen Stunden an den riesigen Spiegeln zu vertreiben und erträglicher zu machen.
    Dieses Mal spürte Glenn sofort, dass der Anruf
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