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Arbeit - Leben - Glueck

Arbeit - Leben - Glueck

Titel: Arbeit - Leben - Glueck
Autoren: Gina Schulze
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versorgen hat und von dem zusätzlichen Konsum über die Mehrwertsteuer profitiert. Experten schätzen, dass etwa zwei Drittel der Einkünfte, das wären rund 242   Milliarden Euro Schwarzgeld allein im Jahr 2004, unmittelbar in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen.
     
    Betrachtet man die Nachfrageseite, wird noch deutlicher, warum es Schwarzarbeit gibt: Solange eine reguläre Handwerkerstunde den Nettoverdienst eines durchschnittlichen |226| Arbeitnehmers um das Drei- bis Vierfache übersteigt, wird er sich legale Arbeit nur unter Schwierigkeiten leisten können. Findet er niemanden, der bereit ist, es schwarz zu machen, erledigt er es lieber selbst oder die anstehende Arbeit bleibt liegen. Wenn ein durchschnittlicher Arbeitnehmer gezwungen wäre, bei jeder anfallenden Arbeit einen regulären Handwerker zu holen, müsste er entweder einen Kredit aufnehmen, um seine Rechnungen bezahlen zu können, oder auf die Anschaffung anderer Konsumartikel verzichten. Und auch die etwas besser Verdienenden sehen es nicht ein: Da bekommen sie schon von ihrem eigenen Gehalt die Hälfte abgezogen und dann sollen sie noch mal was fürs Gemeinwohl drauflegen, wenn der Handwerker ins Haus kommt. Schwarzarbeit spart Geld. Wer schwarzarbeiten lässt oder alles selbst macht, kann deshalb mehr Geld in den Konsum stecken. Auch das trägt dazu bei, dass es der Wirtschaft besser geht, als es ihr normalerweise gehen würde.
     
    Trotzdem muss es dabei bleiben: »Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt«   – so sagt es die Regierung und alle Wirtschaftsexperten stimmen ihr darin zu. Sie wollen nicht, dass wir den Schwarzarbeiter für so eine Art Robin Hood halten, der sich zwar nicht an die Gesetze hält, aber im Grunde ein anständiger Mensch ist. Denn Robin Hood verteilte seine Beute an die Armen, der Schwarzarbeiter jedoch behält alles für sich. Wer Geld verdient und sein Einkommen nicht dem Finanzamt meldet, hinterzieht Steuern und Sozialabgaben, die der Staat dringend braucht. Deshalb ist Schwarzarbeit zu Recht illegal. Die Arbeiterkolonne aus Osteuropa genauso wie der nette Kerl von nebenan, der zu einem bezahlbaren Preis die Waschmaschine repariert. Er ist vor allem dann ein übler Bursche, wenn er gleichzeitig auch noch Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe kassiert.
    Wer legal arbeitet, finanziert dagegen unser Gemeinwesen. Würde jeder nur auf eigene Rechnung schaffen und |227| nichts mehr abgeben, wären die öffentlichen Kassen bald leer. Fast alles, was unsere Lebensqualität ausmacht, wäre unbezahlbar. Schulen, Polizeistationen und Krankenhäuser müssten geschlossen werden, wir würden alle im Müll versinken und rettungslos verloren sein.
    Eigenarbeit und Nachbarschaftshilfe
    Alles, was man sich selbst macht, statt es zu kaufen, ist Eigenarbeit. Das geht im Grunde morgens schon los: Man macht sich ein Frühstück, statt in die nächste Frühstücksbar zu gehen. Man isst Obst aus dem eigenen Garten, statt es im Supermarkt zu kaufen. Eigenarbeit beginnt beim Schuheputzen und hört auf, wenn wir fluchend vor einer tropfenden Wasserleitung stehen, weil wir selbst zum Lötkolben gegriffen haben, statt einen Fachmann zu holen, der sein Handwerk versteht.
    Bei vielen Produkten lohnt sich die Eigenarbeit nicht, zumindest nicht vom ökonomischen Standpunkt aus gesehen: Ein gekaufter Kuchen ist viel billiger als ein selbst gebackener, wenn man die Zutaten, den Stromverbrauch, den Verschleiß des Backofens und die eigene Arbeitszeit mit einrechnet. Trotzdem stellen wir uns in die Küche und backen. Warum? Weil   – Können vorausgesetzt   – ein selbst gebackener Kuchen besser schmeckt als ein Industrieprodukt aus der Backwarenfabrik.
    Anderes kann man gar nicht selbst machen: Fernseher, Autos, Kühlschränke, Glühbirnen, Computerspiele. Die Fertigung ist zu komplex, das Ausgangsmaterial nicht erhältlich. Solche Produkte sind in den Industrieländern bei weitem in der Überzahl. Unser Leben und unser Alltag sind im Wesentlichen auf Arbeitsteilung eingestellt: Jeder tut die Arbeit, die |228| er gut kann, und den Rest überlässt er anderen und kauft dann das fertige Produkt. Die moderne Arbeitswelt beruht auf dieser Art von Spezialisierung, doch immer mehr Menschen kehren zu vor-modernen Arbeitsformen zurück und machen Dinge selbst, statt sie zu kaufen.
    Sie tun das oft, um Geld zu sparen, aber es ist nicht nur das. Das Ganze hat auch eine ideelle Seite: Viele wollen nicht immer nur das machen, was sie ohnehin schon können.
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