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Arbeit - Leben - Glueck

Arbeit - Leben - Glueck

Titel: Arbeit - Leben - Glueck
Autoren: Gina Schulze
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sein, aber für mich sieht die Sache ganz anders aus!« Und genau darum ging es in diesem Buch auch. Jeder ist dazu eingeladen, selbst nachzudenken: Wie sieht etwas aus? Was kann ich für mich selbst damit anfangen? Welche Möglichkeiten sind für wen interessant? Wer geht warum in welche Richtung?
    Die Antworten bleiben jedem selbst überlassen. Aber genau das kann manchmal ganz schön lästig sein. All die offenen Fragen, das ganze Hin und Her, das ewige Für und Wider   – wer soll denn da noch durchblicken? Wäre es nicht für uns alle besser, uns ein für alle Mal etwas Vernünftiges zu überlegen und dann dabei zu bleiben? Und ginge es auf der Welt nicht friedlicher zu, wenn wir uns auf ein System, eine Betrachtungsweise, eine Meinung einigen würden, damit das ständige Herumdiskutieren endlich ein Ende hätte?
    Es stimmt: Freiheit nervt. Sie ist unbequem, voller Widersprüche und Ungewissheiten. Wir sind frei, aber wir müssen ohne letzte Wahrheiten zurechtkommen. Das war nicht immer so. »Die Erde ist eine Scheibe«: So hieß es im Mittelalter, und wer das anzweifelte, wurde als Ketzer verbrannt. Es hat ewig gedauert, bis die Scheibentheorie vom Tisch war, obwohl die Gelehrten der damaligen Zeit wussten, dass sie nicht stimmt.
    |232| »Der Klimawandel im 21.   Jahrhundert wird durch Treibhausgase verursacht«: Das ist eine Theorie von heute. Viele Menschen halten sie für wahr. Forscher, die etwas anderes behaupten, machen sich unbeliebt, weil sie quer zur herrschenden Meinung denken, aber sie dürfen ihre Argumente offen vortragen. Das führt dazu, dass sich schneller als im Mittelalter neue und richtigere Theorien durchsetzen werden.
    Trotz oder gerade wegen der Ungewissheit, die das alles mit sich bringt, wünschen sich einige Menschen das Mittelalter zurück. Sie suchen Schutz in der Geborgenheit fester Wertsysteme und wollen nicht immer wieder neu über alles nachdenken. »Auf das Denken verzichten wir gern«, sagen sie. »Hauptsache, es sagt uns jemand, wo es langgeht. So fühlen wir uns sicher und geborgen.«
    Es ist die Geborgenheit der Maus im Hals der Schlange. Die Maus ist in Sicherheit, aber sie wird qualvoll ersticken. Bei Menschen ist es so ähnlich wie bei Mäusen: In der Enge eines festen Wertsystems geben sie sich selbst völlig auf und dienen nur noch den Zielen anderer. Oft ist in solchen Systemen alles, was Spaß macht, verboten: Musik, Tanz, Eigensinn, Lust, Kino, Pressefreiheit. Askese ist gefragt, ein Leben im Rückwärtsgang, geprägt von Unterwerfung und geistiger Starre. So ein Leben lässt sich nur ertragen, wenn man an eines ganz fest glaubt: an das ewige Leben im Paradies. Dort wartet dann alles, was man zu Lebzeiten entbehrt hat: Wein, Weib und Gesang, ewiges Glück, süßes Nichtstun.
    Mag sein, dass das für einen Tag oder auch zwei recht angenehm ist, aber nach einer Weile wird es doch ziemlich langweilig. Ewiges Glück, süßes Nichtstun   – wer wissen will, wie sich das in etwa anfühlen könnte, braucht nur mal zwei Wochen am Stück im Bett zu verbringen und so viele Pralinen zu essen, dass ihm schlecht davon wird.
    Aus dem Paradies   – so steht es in der Bibel   – wurden wir verjagt, weil wir den Apfel vom Baum der Erkenntnis pflückten. |233| Weil wir neugierig waren und uns mit letzten Wahrheiten nicht zufrieden geben wollten. Das ist bis heute so geblieben. Wir denken nach und stellen uns Fragen, auch wenn sie noch so unbequem sind und es keine einfachen Antworten gibt. Richtig und falsch, darauf haben wir uns geeinigt, müssen immer wieder neu ausgehandelt werden.
    Die letzte Wahrheit fehlt in diesem Buch, das letzte Wort nicht. Das letzte Wort hat Immanuel Kant. Er wendet sich an alle, die sich nichts Schöneres vorstellen können als die Freiheit und die ganze Arbeit, die sie macht. Im Hier und Jetzt, und selbstverständlich auch im Jenseits   – für den Fall, dass es eins geben sollte und man dort seinen Verstand nicht abschalten muss.
    »Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung anderer zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!, ist also der Wahlspruch der Aufklärung. Faulheit und Feigheit sind
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