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Arbeit - Leben - Glueck

Arbeit - Leben - Glueck

Titel: Arbeit - Leben - Glueck
Autoren: Gina Schulze
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Sie wollen sich neuen Herausforderungen stellen oder sich beim Arbeiten entspannen. Der Eigenarbeiter will in seiner Freizeit selbstvergessen sein Auto polieren, seinen Garten umgraben oder den Rasen mähen. Er will sich etwas Gutes kochen, und er denkt nicht daran, einen Maler ins Haus zu holen, weil er selbst recht gern zu Farbe und Pinsel greift. Oft sucht er das Individuelle, das Einzigartige, das Handgemachte. Unikate sind für ihn wie eine Insel im Strom der Massenprodukte und Dienstleistungen.
    Auch wenn manche über selbst getöpferte Gartenzwerge oder den Seidenmalkurs an der Volkshochschule hämisch lachen: Jede Form der Eigenarbeit zeigt die Sehnsucht der Menschen nach mehr Eigensinn und Unverwechselbarkeit. Sie wollen Ideen entwickeln und dann auch umsetzen. Aber das ist nicht gleich das Ende der modernen Arbeitswelt. Eigenarbeit verläuft parallel zur regulären Wirtschaft und wird sie auf die Dauer bereichern. So wie das seit langem die Bau- und Heimwerkermärkte tun. Sie wachsen jedes Jahr um ein paar Prozent, schaffen neue Arbeitsplätze und sorgen als eine der wenigen Branchen für wirtschaftlichen Aufwind.
    Dass die Eigenarbeit trotzdem vom Bannstrahl besorgter Wirtschaftsexperten getroffen wird, ist vor allem ein Indiz für die wachsende Ratlosigkeit in Bezug auf unsere wirtschaftliche und sozialpolitische Zukunft. Das Problem ist mehr denn je: Wie soll man den Konsum wieder anregen, damit die Wirtschaft wächst und die Arbeitsplätze erhalten |229| bleiben? Wie kann man die Leute dazu bringen, sich etwas zu kaufen, statt es selbst zu machen? Wie lockt man sie vom heimischen Herd ins Restaurant, vom Baumarkt ins Möbelhaus, von einem Stoffgeschäft in den nächsten Klamottenladen?
     
    Noch bedenklicher ist es, wenn Nachbarn, Freunde und Verwandte mit anpacken und wir dadurch Umzugsfirmen, Raumgestalter, Anstreicher und Zimmerleute in den Ruin treiben. Zudem steht die Nachbarschaftshilfe im Verdacht, in Wirklichkeit verdeckte Schwarzarbeit zu sein. Doch selbst wenn alles mit rechten Dingen zugeht, werden die Experten grün vor Sorge, wenn sie an die vielen Arbeitsplätze denken, die allein deshalb pro Jahr verloren gehen, weil ein Mensch dem anderen behilflich ist. Nachbarschaftshilfe, eine der ältesten Formen von Arbeit überhaupt, gab es schon, als an Arbeitsteilung oder an den Sozialstaat noch niemand dachte. Der Begriff ist allerdings etwas unglücklich gewählt, denn die Nachbarn sind es am wenigsten, die helfen. Vielmehr wird stets ein weit verzweigtes Netzwerk aktiviert, das vom Kollegen über den Schwager bis hin zum alten Studienfreund reicht.
    Für die Nachbarschaftshilfe gilt alles, was über die Eigenarbeit gesagt wurde, doch es gibt auch Unterschiede. Eigenarbeit
kann
ökonomische Gründe haben,
muss
aber nicht, während Nachbarschaftshilfe
immer
etwas mit Geld (sparen) zu tun hat. So sieht man selten eine Gruppe von Bankdirektoren, die sich gegenseitig die Möbel ins Haus tragen, wohl aber kommt es vor, dass ein Bankdirektor nach Feierabend in seine Werkstatt geht und mit Hingabe einen alten Billardtisch renoviert.
    Auch die Nachbarschaftshilfe ist etwas Besonderes. Wer genug Freunde hat, der verzichtet auf das professionelle Dienstleistungsangebot. Der Hauruck-Gesang der Kumpel nach der dritten Flasche Bier, nachts müde und zufrieden |230| auf Umzugskartons sitzen und Würstchen mit Kartoffelsalat essen: All das ist Emotion pur. Es geht dabei nicht um den möglichst reibungslosen Ablauf, sondern um das Gefühl der konkreten und nicht etwa staatlich verordneten Solidarität. Gegenseitige Hilfe und Freundlichkeit, gepaart mit einem handfesten geldwerten Vorteil: Dagegen ist kein Kraut gewachsen, da können die Experten noch so sehr schimpfen. Früher einmal ging es dabei ums nackte Überleben. Die Menschen wussten, dass ihnen niemand hilft, wenn sie sich nicht gegenseitig halfen. In einem alle umsorgenden, aber relativ abstrakten Sozialstaat erlahmen solche Instinkte für gewöhnlich, doch das System der gegenseitigen Hilfe hat überlebt.

|231| Freiheit nervt
    Ein Nachwort
    Dieses Buch handelte erstens vom Sinn der Arbeit. Zweitens von der Arbeitswelt, in vielen Beispielen erklärt, unterstützt von Zahlen und Fakten. Drittens ging es um Fehler und viertens um die bessere Orientierung im Labyrinth der Möglichkeiten.
    Aber letzten Endes fehlte auch immer etwas. Würde ich mich mit meinen Leserinnen und Lesern unterhalten, bekäme ich wahrscheinlich zu hören: »Das mag ja alles
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