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Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera
Autoren: Hans Kneifel
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Proxime Bocca leicht bevölkert. Stapen hatte die vielen Boote gesehen, die nicht mehr am Steg lagen, sondern den Tag über draußen segelten oder dahinrasten, Wasserskiläufer im Schlepp. Es standen einige Gleiter auf der Plaza; einen Teil des Platzes sah man von hier aus. Und die Treppen und Brücken waren von Menschen bevölkert. Stapen drehte sich wieder um und deutete auf das Glas.
    »Trinken Sie es bitte aus!« sagte er.
    Er hatte sehr gut geschlafen. Es hatte keine Zwischenfälle gegeben, nur das Kommunikationsgerät hatte wiederholt aufgesummt. Ihara streckte die Hand aus und sah ihn an, während sie das Glas leertrank. Stapen nickte. Die Waffe steckte in seinem Gürtel.
    »Danke!« sagte er.
    »Sparen Sie sich den billigen Sarkasmus. Vielleicht gelingt es Ihnen sogar, von hier wegzukommen.«
    »Vielleicht!« sagte er.
    Er rechnete nunmehr fest damit. Ein einzelner Mann, der nicht bewußt auffiel, konnte schwer entdeckt werden, wenn er nicht gerade einem Beamten in die Arme lief. Und wenn er sich einmal im Wasser befand, war er in Sicherheit. Niemand wußte, wo man ihn suchen sollte. Er hatte an vielen, einander widersprechenden Orten, Spuren hinterlassen. Es mochte sein, daß gerade Port Calagrana besonders gut bewacht wurde, weil dort Konna Pander umgekommen war, aber auch hier würde er die Sicherheitsbeamten eher sehen als sie ihn. In den Taschen seiner Jacke trug er genügend Essen für die nächsten fünfzig Stunden bei sich. Die Nahrung, die er während des Schwimmens brauchte, befand sich im Gürtel des Anzugs. Seine Probleme wurden kleiner und weniger zahlreich, je mehr Zeit verging, und je ausgiebiger Ihara gähnte.
    »Legen Sie sich hin!« sagte er. »Ich muß Sie fesseln und werde Sie zudecken!«
    Er schüttelte die Kissen auf und kam sich wie ein Idiot vor. Aber er war ihr dankbar, daß sie keine zusätzlichen Schwierigkeiten machte. Je näher der Zeitpunkt kam, an dem ihn die kleine Jacht abholte, desto mehr dachte er an die Zukunft und nicht an die gefahrvolle Gegenwart. Er sah ungerührt zu, wie sich Ihara ausstreckte und gähnte.
    »Und ich werde Ree helfen!« versicherte sie schläfrig.
    »Das habe ich erwartet!« antwortete er und wartete, bis sie tief schlief. Dann fesselte er sie wieder und zog sich auf seinen vorbereiteten Platz zurück. Noch schwankte er bei der Überlegung, ob er ihre Karte stehlen und in den verbleibenden Stunden benutzen sollte.
    Unablässig beschäftigten sich seine Gedanken mit dem Weg, den er kannte. Mitten in der Überlegung, wie er aus einem abgesperrten Bahnsteig entkommen konnte, versank er im Schlaf.
     
    Er erwachte.
    Sekundenlang mußte er überlegen, wo er sich befand. An der Tür dröhnten Schläge. Als Stapen hochsprang, hörte das Hämmern auf. Ree? Stapen griff nach seiner Jacke und zog sie in fieberhafter Eile an. Dann schob er die Terrassentür ganz auf und zog die Waffe.
    »Was passiert jetzt?« flüsterte er.
    Draußen war finstere Nacht. Irgendwo, ganz weit weg, ertönte weiche Musik. Stapen huschte lautlos durch den Raum und lauschte vor der Tür. Er hörte nichts anderes als Atemzüge und ein leises, ungeduldiges Scharren und Schleifen. Niemand schien sich um das Hämmern gekümmert zu haben. Stapen ging schnell in den Raum zurück, stieß die Tür der Küche halb auf und blieb dort stehen. Von hier aus konnte er sehen, wer den Flur verließ und den Wohnraum betrat. Er wartete einige Sekunden, dann ...
    Mit einem einzigen, trockenen Krachen und Splittern wurde die Außentür eingetreten. Ein großer, schlanker Mann wurde von seinem eigenen Schwung vorwärtsgerissen und taumelte ins Zimmer hinein. Stapen trat im selben Augenblick vor, als Ree Goyer wieder fest auf den Füßen stand und sich umdrehte.
    »Stehenbleiben!« sagte Stapen heiser. Er richtete die Waffe auf den Mann.
    Ree schien entweder ein Selbstmörder zu sein oder die Waffe in der Dunkelheit nicht zu sehen. Er sprang los, und der Schuß krachte. Stapen verwünschte sich lautlos; im letzten möglichen Augenblick hatte er sein Handgelenk bewegt, und die Nadel zerfetzte den Stoff der Jacke und riß eine Fleischwunde. Das Projektil hämmerte dröhnend in die Wand. Das alles war ein einziger Eindruck – Ree hatte ihn erreicht und warf Stapen zurück an die Küchentür. Das ganze Apartment dröhnte auf.
    »Was haben Sie mit ... meiner Schwester ...«, begann er und schlug zu.
    Stapen krümmte das Knie und stieß es in Rees Magen. Die Waffe polterte dumpf zu Boden.
    »Sie schläft!«
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