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Die Terranauten 010 - Revolte auf Luna

Die Terranauten 010 - Revolte auf Luna

Titel: Die Terranauten 010 - Revolte auf Luna
Autoren: Robert Quint
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Morgenstern betrat die Braune Platte mit einem Gefühl des Unbehagens und verwünschte seinen Entschluß, diese Aufgabe selbst zu übernehmen, statt sie Sigbjorn oder Teschnapur zu überlassen.
    Verstohlen tastete er nach dem kleinen Nadler, der sich unter seiner speckigen, aus Kunststoffresten zusammengeschneiderten Jacke kaum abzeichnete. Aber die Waffe verlieh ihm nur wenig Sicherheit, zumal er wenig Neigung besaß, sie gegen die Zentristen einzusetzen.
    Er duckte sich und musterte hinter einem Stützpfeiler hervor die trübgelbe Röhre des Treppenschachtes.
    Morgenstern lächelte.
    Treppenschacht war zuviel gesagt; vermutlich hatte die senkrechte Röhre ihren Namen einem Spötter zu verdanken.
    Nur von einer dünnen Reihe kleiner Leuchten fahl erhellt, verband der knapp vier Meter durchmessende Schacht die acht Etagen des Gefangenentraktes. Feste, stählerne Leitersprossen und die niedrige lunare Schwerkraft ermöglichten einen zeitraubenden, aber nicht sehr anstrengenden Auf- und Abstieg.
    Morgenstern wußte, daß nur wenig Wahrscheinlichkeit für einen Angriff der Zentristen bestand, aber jedesmal, wenn er sich den stillen, abgeschiedenen Bereichen der Mondkerker näherte, erfüllte ihn Beklemmung. Die Braune Platte, die unterste Etage tief im Gestein des Mondes, übte eine fast magische Anziehungskraft auf jene Lunahäftlinge aus, die durch die Verhöre der Grauen Garden psychisch zerstört waren und deren Gedanken nun seltsamen, erschreckenden Wegen folgten.
    Der kleine, schmale Mann, der hinter dem Stahlträger hockte und argwöhnisch den Eingang zum Treppenschacht musterte, erschauerte unwillkürlich, als er an die Verhöre dachte, Seelentaucher hatten die Psycho-Ingenieure der Garde die kleinen, krötenähnlichen Tiere genannt.
    In Wirklichkeit hießen diese Kreaturen Lerroons, nach ihrem Entdecker, einem Astrobiologen aus der Zeit der Ersten Kolonisierungswelle. Sie waren dumm und träge und entsprachen nur wenig dem menschlichen Schönheitsideal.
    Erst die Grauen hatten den Lerroons zu einem zweifelhaften Ruhm verholfen; die Tiere sonderten ein Sekret aus, eine natürliche Verteidigungswaffe, fern verwandt mit irdischen Halluzinogenen. Der Wirkstoff zertrümmerte die Kontrollmechanismen des menschlichen Bewußtseins, wirbelte die Erinnerungen eines ganzen Lebens an die Oberfläche.
    Ein gutes Hilfsmittel bei Verhören, dachte Morgenstern bitter, während er zögernd und geduckt weiterlief und sich eng an die glatte, metallene Wand des Tunnels hielt. Gerüchten zufolge wirkte das Lerroongift nicht bei allen Menschen, und bei Treibern sollte es völlig versagen, aber in diesem Teil der Mondkerker gab es keine Treiber.
    In der Röhre blieb es still.
    Vorsichtig huschte Morgenstern bis an den Durchstieg und blickte hinunter, dann nach oben. Alles war leer. Wie immer um diese Zeit, wenn die Servicematen in den Gemeinschaftsräumen die Rationen ausgaben. Wer in dieser halben Stunde nicht dort war und seinen Daumen auf die ID-Scheibe der Maschine preßte, ging leer aus.
    Bei dem Gedanken, daß diese Ration für ihn unwiederbringlich verloren war, spürte Morgenstern den kalten Stich des Hungers, der der Begleiter jedes Mondhäftlings war. Das Konzil ließ seine Gegner nicht verhungern, aber die Rationen waren so bemessen, daß man nie richtig satt wurde.
    Morgenstern zuckte die Achseln. Im Lauf der fünf Jahre, die er schon auf Luna verbracht hatte, war der Verzicht auf viele Dinge eine Selbstverständlichkeit geworden.
    Und wahrscheinlich – dachte der kleine Mann ironisch – hatten sie noch Glück im Unglück. Es gab Gerüchte über Straflager, irgendwo in den Welten der Galaxis, von denen die Verbannten niemals zurückkehrten.
    Morgenstern gab sich einen Ruck.
    Er vergeudete seine Zeit mit Philosophieren, statt endlich diese leidige Sache hinter sich zu bringen.
    Der Häftling ergriff eine der metallenen Sprossen und tastete mit den Füßen nach Halt. Lautlos stieg er nach unten.
    Die Braune Platte war – genau wie die anderen Ebenen – in zehn Stockwerke aufgeteilt, und wenn Sheko terLyer keinem Irrtum zum Opfer gefallen war, dann mußte sich die Frau in der untersten Etage befinden.
    Schließlich – nach Ewigkeiten, wie ihm schien – hatte Morgenstern den Boden des Schachtes erreicht. Es gab ein leises Knirschen, als sein rechter Fuß über die Stahlbetonwand scharrte, ehe er die Sprossen losließ und fest auf beiden Beinen stand. Früher hatte der Schacht noch viele hundert Meter weiter in die Tiefe
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