Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
gut möglich. Aber was hatte Cythera damit vor? Bestraften sie den Verbrecher, indem sie ihn beschenkten? Stapen war nicht in der Lage, aus den vielen Informationen, die sich anscheinend widersprachen, den richtigen Schluß zu ziehen.
     
    Stapen sah auf die Uhr.
    Elf Uhr und ein paar Minuten. Er legte sich wieder auf den Rücken, schwamm in der starken Strömung und spähte nach einem Zeichen des Raumschiffs aus. Er war sicher, daß er eine ungeheure Menge von Informationen besaß. Er war, wenn man ihn in Trance aushörte, ohne weiteres in der Lage, einen hervorragenden Abriß über Cythera Minor Nova zu geben.
    Stapen war aber ebenso sicher, daß er einige Dinge ganz einfach übersehen hatte – so etwa die restlose Auflösung des Langzeit-Problems.
     
    Warum habe ich ihm nicht gesagt, was wir planen, dachte Adagia, als sie das Boot ablieferte.
    Ich hätte ihm sagen können, was wir planen.
    Vielleicht mit einem Vergleich?
    Stapen, der als Bankrotteur hierher gekommen war, würde diesen Vergleich bestimmt verstehen und richtig interpretieren. Ein Mann rettet seinen Freund vor dem offensichtlichen geschäftlichen Ruin, der nicht nur sein Geschäft, sondern auch sein privates Einkommen vernichten würde und ihn darüber hinaus in hohe Schulden stürzte. Wenn nun dieser Wohltäter jeden Tag mehrmals seinem Freund berichtet, daß und wie er ihn gerettet habe, würde er binnen kurzer Zeit einen Menschen herangezüchtet haben, der seinem Retter gegenüber nur noch Beschämung und Verzweiflung empfinden konnte. Und Haß. Genau das hatte Cythera vor. Sie wollten Baudelaire eine konzentrierte Handvoll Wohltaten erweisen und dabei alle Planeten zusehen lassen, die der Homo sapiens jemals besiedelt hatte. Dieses Denkmal der Beschämung war, auf die Dauer gesehen, furchtbarer als jeder Vergeltungsschlag mit Waffengewalt.
    Bei jedem Schluck Wasser, bei jeder funktionierenden Maschine, bei jeder der zahllosen kleinen Annehmlichkeiten des Lebens würde jeder Bewohner von Baudelaire an einen Namen denken.
    Cythera Minor Nova!
    Das war die Rache der fast Vernichteten. Sie würde in kurzer Zeit erfolgen. Das aber hatte sie ihm nicht gesagt, weil kein Bewohner Cytheras diese Information freiwillig preisgeben würde.
    Warum eigentlich nicht? fragte sich Adagia.
    Aber dann wurden ihre Überlegungen von dem unwiederbringbaren Verlust überschattet, den sie erlitten hatte. Er befand sich auf dem Weg zu seinem Abholpunkt. Alle ihre Träume und auch das Gefühl der Realisation zerstoben.
     
    Ein Uhr nachts.
    Stapen Crau geriet in Panik. Er vermißte das Raumschiff. Der winzige Empfänger in seinem Helm hatte nicht angesprochen. Eine Dreierfolge schriller Impulse sollte ihn aufmerksam machen. Es war rund eine Stunde nach dem vereinbarten Termin. Die Strömung ließ ihn nicht los und zerrte ihn mit sich.
    Jede Minute mußten Geryon Ta 47 und Milan Tay 98 mit der kleinen Jacht herunterstoßen. Und mit Sved Amarylis an Bord. Stapen hatte seine gesamten Vorräte aufgebraucht und die Flüssigkeit ausgetrunken. Er war erschöpft und trieb mit der Strömung. Er wußte, daß er nicht mehr lange durchhalten konnte.
    Die Batterien der Maschine waren erschöpft. Stapen fror. Vielleicht würde er an Unterkühlung sterben müssen. Vielleicht auch nicht – wenn sie rechtzeitig kamen.
    Die Luftkissen waren prall aufgeblasen. Er schwamm an der Wasseroberfläche und trieb dahin, machte nur noch schwache Bewegungen.
    Die Bleigewichte waren bereits alle ausgeklinkt. Seine restliche Ausrüstung funktionierte tadellos.
    Er schlief ein und wachte um drei Uhr auf.
    Niemand war gekommen. Sie hatten ihn vergessen. Tiefe Niedergeschlagenheit ergriff ihn. Alles war umsonst gewesen. Es gab nicht einmal einen Felsen, auf dem er ausruhen konnte. Kein Signal. Nichts. Wieder wurde er bewußtlos und trieb weiter. Kilometer um Kilometer, Stunde um Stunde.
    Stapen Crau hatte übersehen, daß sich während seiner Anwesenheit der Tag, an dem der Überfall erfolgt war, jährte. So wie Baudelaire geächtet worden war, so hatte man den bewußten Tag aus dem Gedächtnis der Überlebenden und deren Kinder gestrichen. Der einhundertsiebenunddreißigste Tag existierte nicht. Sämtliche Uhren des Planeten sprangen vom hundertsechsunddreißigsten direkt auf den hundertachtunddreißigsten über. Diese Information würde Stapen seinen Auftraggebern nicht übermitteln können, weil er sie nicht besaß.
    Es konnte sein, daß sie ihn vierundzwanzig Stunden später, wenn sie pünktlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher