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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman
Autoren: Michael-André Werner
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Manuela hat mir ihre Freundinnen vorhin vorgestellt, ich konnte mir die Namen nicht merken. Die Blonde auf dem Stuhl ist Kuratoriumsstudentin – mehr weiß ich nicht. Ich frage mich, ob sie das im Museum auch somachen, ob es da spezielle, nicht wackelnde Stühle für die Bildhängung gibt.
    »So besser?«, fragt sie nach unten.
    »Ja«, sagt eine der beiden, die sie festhalten, und sie klettert herunter, sieht selbst, schüttelt den Kopf, heißt ihre Freundinnen a) blinde und b) blöde Ziegen und steigt wieder auf den Stuhl. Siehst du, kleine, blonde Kuratoriumsstudentin, hast du wieder was gelernt, mach alles selbst, frag nicht nach Rat noch Meinung.
    Ich setze mich zu Sarah, Armin und dem Glatzkopf.
    »Und, bist du unter die Galeristen gegangen?«, fragt Armin.
    »Und du?«, frage ich zurück. »Bist du unter die wortgewandten Blitzmerker gegangen?«
    Sarah kichert.
    »War ich schon immer«, sagt Armin und schmollt.
    Sarah fällt vor Lachen fast vom Stuhl.
    Die junge Kuratorin erschrickt und fällt auch fast vom Stuhl. Dann steigt sie wieder zu uns herab, blickt sich um und ruft: »Da fehlt doch noch eins! Da fehlt doch noch eins!« und stößt im Vorbeigehen an meine Lehne. »Wo ist denn Landschaft drei?« Und als ihr niemand antwortet, ruft sie: »Landschaft drei, hat jemand Landschaft drei gesehen? Und wo hängen wir es hin?«
    »Zwischen Landschaft zwei und Landschaft vier«, sagt Sarah leise.
    »Vielleicht hättest du deine Kneipe einen Tag lang zu lassen sollen«, meint Armin.
    »Vielleicht hätte ich die Ausstellung nicht zulassen sollen«, brumme ich und winke zu Rolf, damit er mir ein Bier macht.
    Mireille Mathieus Tochter fragt mich, ob ich eine Tafel habe, zum Aufstellen, draußen.
    »Rolf«, rufe ich. »Haben wir eine Tafel? Zum Aufstellen? Draußen?«
    »Der dicke Koch«, ruft er zurück, »steht hinten.«
    »Der dicke Koch«, sagte ich zu der Schwarzschwarz-Schwarzhaarigen, »steht hinten. Frag mal Manuela.« Sie nickt und läuft los. Der dicke Koch ist ein hässlicher Aufsteller aus den späten Fünfzigern, den mir der Vorbesitzer dagelassen hatte, ein dicker, grinsender Kerl in Schürze, mit Holzlöffel und fettig glänzenden Bäckchen, das Schwein und sein Zubereiter in einem oder ein mahnender Hinweis, was zu viel Fleischkonsum aus einem machen kann. Aber das sah man damals wohl noch anders, da gab es noch keine dünnen, durchtrainierten Kochathleten, die zwei Fünf-Sterne-Restaurants führen, eine wöchentliche Fernsehshow haben, jeden Monat ein Kochbuch herausbringen und nebenbei am Ironman teilnehmen. Nein, damals mussten Köche dick sein, um glaubwürdig zu sein.
    Rolf bringt mir das Bier und das Telefon. »Für dich«, sagt er überflüssigerweise.
    »Wer?«, flüstere ich, obwohl ich die Antwort ahne. Er hält sich seine Zeigefinger wie Hörner an die Kopf – das internationale Gebärdenzeichen für meine Exfreundin – und verzieht sich hinter die Theke.
    »Hallo Petra«, sage ich im Aufstehen. Die Küche ist besetzt, das Bilderaufhängen erweist sich als lauter als erwartet, also gehe ich raus auf die Straße.
    »Bist du zu Hause?«, fragt sie.
    »Du rufst mich unten in der Kneipe an und fragst, ob ich zu Hause bin? – Ja und nein.«
    »Kann ich vorbeikommen?«
    »Ist es wichtig?«, frage ich, denn ich kann mir schon denken, dass es nicht wichtig ist. Oder nicht sonderlich. Oder gar nicht.
    »Na ja«, sagt sie. »Eigentlich schon.« Eigentlich, sagt sie, dann ist es immerhin wichtiger als sonst.
    »Ich hab hier ne Vernissage. Da kann ich jetzt schlecht weg. Sag’s mir doch einfach jetzt.«
    »Rate mal.«
    »Alexander und Ilka sind wieder zusammen.«
    »Nein, rate noch mal.«
    »Alexander und Ilka sind wieder zusammen.«
    »Nein. Ich bin schwanger.«
    Da steh ich nun auf der Straße vor meiner Kneipe und weiß nicht, was ich sagen soll: »Oh«, sage ich, dann: »Aha«, und schließlich: »Herzlichen Glückwunsch. Ich weiß gar nicht, was sagt man da eigentlich?«
    »Ist schon okay«, sagt Petra. »Freust du dich?«
    »Ich freue mich, wenn du dich freust«, sage ich den Satz, den ich mir während unserer Beziehung antrainiert habe. Am meisten freue ich mich, dass es nicht meins ist und sich auch nicht die Frage stellt, ob es unter Umständen meins sein könnte. Die Tür geht auf, und Manuela kommt heraus. Sie steckt sich eine Zigarette an und lächelt mir zu.
    »Aber wie gesagt«, sage ich zu Petra, »das ist jetzt zeitlich nicht so günstig, die Vernissage fängt gleich an. Meine
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