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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman
Autoren: Michael-André Werner
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ein seltsamer Aufstrich aus Frankreich, halb süß, halb salzig. Meinetwegen. Muss ich deshalb noch lange nicht essen.
    »Ja«, sagt Petra, als sie hereinkommt und sich setzt. »Hättest du mir das vorhin so erklärt, hätte ich das auch gleich verstanden.«
    Moment, das ist mein Spruch, das sage ich sonst zu ihr.
    »Gut, wir telefonieren nachher noch mal. Wir frühstücken jetzt ... Wer, wir? Na wir? ... Ja, was denkst du denn? Willst du vorbeikommen?«
    Ich schüttle den Kopf, aber sie sieht es nicht.
    »Ja, gut, dann bis später. Nachmittags oder so ... Ja, bis dann.«
    Sie legt das Telefon neben die Spüle, sagt: »Guten Morgen«, und gibt mir einen Kuss auf die Wange. »Ilka will sich von Alexander trennen.«
    »Ach«, sage ich und schicke ein ironisches »Weshalb denn diesmal?« hinterher, das als solches von ihr nicht erkannt wird.
    »Wegen Alexander vor allem«, sagt sie.
    »Ja, nein, schon klar. Aber gibt es einen Anlass? Einen aktuellen?«
    Petra zuckt die Schultern. »Ach ...«
    »Wir haben keinen Toast mehr«, wechsle ich das Thema. »Wer geht zum Bäcker?«
    »Ich hab Tiefkühlbrötchen da«, sagte Petra und kuschelt sich an mich, »zum Aufbacken.«
    »Auf Backen steh ich«, sage ich und fass an ihren Po.
    »Na, dann mach mal«, entgegnet sie und tätschelt den meinen. »Du weißt ja, wo alles ist.«
    Ich öffne den Gefrierschrank und sehe in den Kühlschrank.
    »Der Gefrierschrank ist unten«, sagt Petra.
    »Ja«, sage ich, »ich weiß«, greife nach den Eiern und halte ihr zwei hin. »Wollen wir Eier zum Frühstück?«
    »Och nö«, sagt sie.
    »Gut.« Ich lege die Eier zurück, schließe den Kühlschrank und öffne den Tiefkühler, um die Brötchen rauszuholen. »Mach doch schon mal den Ofen an.«
    »Mach ich«, sagt Petra, da klingelt das Telefon und sie wirft einen Blick aufs Display, seufzt kurz und geht ran: »Hallo Ilka.« Dann geht sie raus. Also back ich die Brötchen auf.
    »Die waren ein bisschen lange drin«, sagt Petra später, als wir am Tisch sitzen.
    »Die sind knusprig«, sage ich.
    »Knusprig schwarz.«
    »Knusprig rustikal. Steht auch auf der Tüte. Das sind Vollkornbrötchen. Rustikale Vollkornbrötchen. Rustikale Bio-Vollkornbrötchen. Die müssen so dunkel sein.«
    »Aha«, sagt Petra.
    Wir essen. Im Radio läuft R. E. M.
    »Wäre es schlimm, wenn ich mit Ilka in den Urlaub fahre?«, fragt Petra.
    »Nö«, sage ich.
    »Sind fünf Wochen, fast die ganzen Sommerferien.«
    »Du hast fünf Wochen Urlaub?« Ich bin erstaunt.
    »Ich hab noch Resturlaub.«
    »Okay«, sage ich.
    »Dann könnten wir dieses Jahr nur so am Wochenende mal ...«
    »Okay«, sage ich. »Wieso verreist sie denn nicht mit Alexander?
    »Weil sie sich getrennt haben.«
    »Ich dachte, sie hat vor, sich zu trennen«, sage ich.
    »Das war vorhin, jetzt haben sie sich getrennt. Also sie sich. Und da hat sie keine große Lust, mit ihm zu verreisen.«
    »Verstehe.«
    »Das wäre dann in den Sommerferien.«
    »Ja, hast du gesagt.«
    »Weißt du, wann die sind?«, fragt sie.
    »Im Sommer«, rate ich fröhlich drauflos. »Seit ichaus der Schule raus bin ...« Ich ziehe die Schultern hoch und beiße von meinem rustikal knusprigen Brötchen ab.
    »Ilka hat sich auf eine Austauschstelle beworben«, sagt Petra, »für Lehrer. Wenn das klappt, geht sie für ein Jahr als Lehrerin nach England oder Schweden oder Spanien.«
    »Das ist ja eine Auswahl.«
    »Na, Deutsch kann sie ja überall unterrichten.«
    »Stimmt auch wieder.«
    »Und dafür ist es ja auch da, dieses Programm«, sagt Petra, »damit Muttersprachler dort unterrichten. Sie wird schon wissen, was sie tut.«
    Ja, denke ich, Ilka wird schon wissen, was sie tut. Und dann geht mir der Satz ganz seltsam immer wieder im Kopf herum. Ilka wird schon wissen, was sie tut. Ilka wird schon wissen, was sie tut. Ilka wird schon wissen, was sie tut.
    »Was denkst du?«, fragt Petra.
    »Was?«, frage ich, aus meinen Tagträumen gerissen.
    »Du stierst so in die Gegend.«
    »Ich? Nichts.«
    Das Telefon klingelt. Petra greift rüber zur Spüle, nimmt es, schaut aufs Display und drückt auf den Knopf. »Ja?« Dann steht sie auf und geht raus. »Ja«, sagt sie.
    Ich suche einen anderen Sender im Radio, drehe so lange, bis etwas mit großem Orchester kommt. Ja, Frühstück bei Petra. Ich drehe den Stuhl einwenig, damit ich aus dem Fenster schauen kann. Kein Haus gegenüber. Jenseits des vom Krieg geöffneten Hinterhofs liegt eine Gewerbefläche, Müllabfuhr oder Spedition oder
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