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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman
Autoren: Michael-André Werner
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Wenn ich mal länger nicht da bin.«
    »Wann bist du denn mal länger nicht da?«, frage ich ihn.
    »Na ja, kann doch mal sein«, sagt er.
    »Wann warst du denn mal länger nicht da?«, fragt Sarah.
    »Ist schon ein Weilchen her.«
    »Also ein Aquarium«, sage ich und sehe zum Fenster raus.
    »Oder was Ähnliches. Oder ich denke noch mal darüber nach.«
    »Ja, tu das«, sagt Sarah. »Du solltest generell viel mehr über alles nachdenken. Findest du nicht auch?«, wendet sie sich dem Neuen zu.
    »Unbedingt«, sagt der.
    »Immer«, stimme ich zu, werde in diesem Moment aber von einem jungen Mann in roter Windjacke abgelenkt, der sehr aufgeregt meine kleine Lokalität betritt und in dem ich den allabendlichen Zeitungsverkäufer wiedererkenne, nur diesmal ohne Zeitungen. Er nickt mir kurz zu, dann geht er stracks auf Rolf zu und beugt sich über den Tresen. Die beiden reden, aber so leise, dass ich zwischen Musik und Gästegebrabbel nichts verstehe. Rolf winkt mir, also stehe ich auf und gehe rüber zu den beiden.
    »’n Abend«, sage ich.
    »Mal ne Frage«, beginnt der Zeitungsverkäufer, ohne zu grüßen, »jemand reingekommen, der Zeitungenverkauft hat, Berliner, taz, zitty ehteze?« Er sagt tatsächlich ehteze. »Mir ist vorhin mein ganzer Wagen leergeklaut worden.«
    Zabel, denke ich und sage langsam: »Jaaaa.« Rolf schaut mich an. Ich schaue Rolf an. »Da war vorhin einer da«, sage ich und blicke dem Zeitungsverkäufer in die Augen. »So ein junger, der öfter hier auftaucht. Kam mir gleich komisch vor, dass der jetzt Zeitungen verkauft.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    Ich zucke mit den Schultern. »Ich hab ihn rausgeworfen. Eigentlich hat er hier sowieso Hausverbot.«
    »Und warum habt ihr ihn nicht festgehalten?«
    »Weil er hier Hausverbot hat.«
    »Aber er hat mir die Zeitungen geklaut.«
    »Woher sollen wir wissen, dass die Zeitungen geklaut sind.«
    »Aber komisch kam’s euch schon vor.«
    »Ja, und?«
    »Wann war das denn?«
    »Ist ne halbe Stunde her«, sage ich und sehe zu Rolf, »halbe Stunde, nicht?«
    »Ne gute«, sagt er.
    »Wisst ihr, wie der heißt?«, fragt der Zeitungstyp weiter und blickt zu Rolf, zu mir, zu Rolf.
    »Zabel«, sage ich langsam, »glaube ich, aber ob er wirklich so heißt«, ich zucke wieder die Schultern, »oder das ein Spitzname ...«
    »Wie heißt der?«, fragt der Zeitungstyp.
    »Zabel«, sage ich noch mal. »Vielleicht.«
    »Wo ist er hin? In welche Richtung?«
    »Links«, sage ich, »oder rechts. Wie gesagt, ich weiß es nicht, und eine Adresse hab ich auch nicht.«
    »Ich geh mal rüber zur Raucherlounge «, sagt der Zeitungsmann. »Vielleicht war er da ja auch und die wissen was.« Es klingt fast wie ein Vorwurf.
    »Ja«, sage ich, »gute Idee.«
    »Wenn er noch mal herkommt«, sagt er und holt einen Zettel und einen Stift aus der Jackentasche, »hier ist meine Handynummer«, er kritzelt was und gibt mir dann den Zettel.
    »Das glaub ich zwar nicht«, sage ich, »aber – klar.« Ich reiche den Zettel an Rolf weiter, ohne einen Blick darauf zu werfen.
    »Oder die nächsten Tage.«
    »Wie gesagt, er hat hier Hausverbot.«
    »Trotzdem schon mal danke.«
    »Nichts zu danken.«
    Er tippt sich an die Mütze und geht.
    »So ein Arschloch«, sage ich, als der Zeitungstyp gegangen ist.
    »Wer?«, fragt Rolf.
    »Na, Zabel. Wer wohl?«
    »Der«, er zeigt zur Tür.
    »Ja, der auch«, sage ich und gehe zurück zu Armin und Sarah und dem Neuen.
    »Und?«, fragt Armin.
    »Nichts«, sage ich, »und wenn du weiter so neugierig bist, bist du als Nächster dran.«
    »Womit dran?«
    »Das willst du nicht wissen.«
    Ich schließe die vordere Tür ab, sage »Tschüss« und klappe mein Handy zu. Petra hat noch mal angerufen. Sie kommt doch nicht mehr. Ilka ist bei ihr. Zu Hause bei sich will sie nicht sein, Alexander kann sie eh nicht trösten. Der wird wahrscheinlich auch an der Karola-Sache zu knabbern haben, hab ich Petra gesagt. »Wen interessiert’s?«, hat sie geantwortet. Stimmt auch wieder.
    Ich gehe über die Kreuzung, rüber zur Raucherlounge . Drinnen ist es dunkel, nur die Lichtreklame ist noch an und vor der Tür steht eine Leiter, und auf der Leiter steht der Chef des Ladens und fummelt am O herum. Als er mich sieht, kommt er runtergeklettert.
    »So ne Scheiße«, sagt er zur Begrüßung.
    »Auch hallo«, sage ich. »Was denn?«
    »Die schmeißen mir immer das O ein.« Und tatsächlich, alle Buchstaben leuchten, nur das O nicht, die Leuchtstoffröhren sind kaputt, Steinschlag
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