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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman
Autoren: Michael-André Werner
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Landschaft, wie beim Herrn der Ringe .«
    Sarah lacht auf. » Herr der Ringe .«
    »Klingt doch schön«, sagt Armin, »Kornwestheim.«
    »Das ist ein Vorort von Stuttgart. Arbeitersiedlung«, sage ich.
    »Na ja«, macht der Neue.
    »Spielverderber«, sagt Armin.
    »Ich wollte nur, dass du dir keine Illusionen machst, falls du vorhast, dir schon mal ein Haus dort zu kaufen, und dann enttäuscht bist.«
    »Schönen Dank auch.«
    »Hier«, sagt Rolf und hält mir das Telefon hin, »für dich.«
    Ich schau ihn an, greife danach, halte die Sprechmuschel zu und frage überrascht: »Für mich?«, denn ich habe es nicht klingeln gehört, jedenfalls nicht darauf geachtet. »Wer denn?«
    »Petra«, sagt er.
    Ich halte das Telefon ans Ohr, stehe auf und mache ein paar Schritte vom Tisch weg. Zum Telefonieren ist es hier zu laut, und Sarah und Armin haben zugroße Ohren, die hören zu und denken sich ihren Teil, und ich weiß ja auch gar nicht, was Petra will. Andererseits ist es nie wichtig, wenn Petra anruft. In all der Zeit, die ich mit ihr zusammen bin, hat sie mich nie wegen etwas Wichtigem angerufen. Das Wichtigste war, mich zu fragen, wie es mir geht, oder noch besser: »Was machst du gerade?« – »Buchhaltung für den Theaterklaus, und du?« – »Wir haben gerade Pause.« Oder so etwas in der Art. Meist spricht sie dann auch sehr leise oder ihre Umgebung ist zu laut oder meine, so dass ich immer wieder sagen muss »Was?« oder »Kannst du lauter sprechen?« oder »Die Verbindung ist schlecht.« Was man sich im Zeitalter des Internets und Mobilfunks gar nicht mehr vorstellen mag, es knarrt und kratzt und klingt abgehackt, und bei alldem ist es nicht einmal wichtig, nichts, worüber sich nicht auch später sprechen ließe, am Abend, im Bett, am nächsten Tag, beim Frühstück. Oder gar nicht. Was soll die Frage »Wie war dein Tag?« um ein Uhr mittags? Unfreiwillig bin ich geneigt zu fragen: »Hast du keine Kollegen, mit denen du deine Pausen verbringen kannst? Redet auf Arbeit niemand mit dir?«, und letztlich läuft das Gespräch darauf hinaus:
    »Hallo.«
    »Hallo.«
    »Na?«
    »Na?«
    »Wie geht’s dir?«
    »Gut, und dir?«
    »Prima. Was machst du gerade?«
    »Frühstücken. Und du?«
    »Mittagspause.«
    »Was?«
    »Was?«
    »Was ist denn da so laut bei dir?«
    »Was?«
    »Ruf doch später noch mal an.«
    »Hier ist es gerade etwas laut, ich steh in der Kantine an der Kasse. Ich ruf später noch mal an. Ich vermiss dich.«
    »Ich dich auch.«
    »Was?«
    »Bis heute Abend.«
    »Ja. Tschüss.«
    »Tschüss.«
    Und das seit zwei Jahren mit abnehmender Wichtigkeit und – jedenfalls von meiner Seite aus, das muss ich hier mal so zugeben – Verliebtheit. Nach unserer Trennung werde ich einen Tinnitus haben. Mein Arzt wird fragen, ob ich Stress habe, beruflich? Ich werde nein sagen. Oder ein Todesfall?, wird er fragen. Ich werde den Kopf schütteln. Oder eine Trennung? Ja, Trennung, sage ich. Aha, wird er sagen, das sei ein typisches Stresssymptom. Der Tinnitus klingt dann nach einiger Zeit von selbst ab, vielleicht hatte ich ihn aber auch schon während der Beziehung, und ich habe ihn nurnicht gehört, weil ich dauernd telefoniert habe. Wahrscheinlich ist es nur eine Art Nachhall.
    So bin ich also auf dem Weg vom Stammtisch, am Tresen, vorbei in den Flur und dann in die Küche und sage: »Hi, was gibt’s denn?«, und Petra sagt irgendwas, das ich nicht verstehe, weil es gerade so laut auf ihrer Seite ist und die Verbindung schlecht, und ich sage: »Was?«, und dann bin ich endlich in der Küche und Petra sagt: »Karola ist tot«, und ich schließe die Tür hinter mir. Der Lärm der Kneipe bleibt zurück. Ich überlege, wer von Petras Freundinnen Karola ist, und komm nicht drauf, aber ich muss ja was sagen, also sage ich erst einmal: »Ach herrje«, und schiebe ein »Tut mir leid« hinterher. Wer war noch mal Karola?
    »Willst du herkommen?«, frage ich. »Soll ich zu dir kommen?«
    »Wieso?«, fragt Petra.
    »Zum Reden«, sage ich. »Hier ist gerade nicht so viel los ...«
    »Ich kannte Karola ja gar nicht«, sagt Petra.
    Ich bin ein wenig verwirrt. »Und wer ist Karola?«, frage ich sie.
    »Na, Karola. Alexander hatte was mit ihr. Hab ich dir doch erzählt. Ilka hat gerade angerufen. Eine Kollegin hat sie angerufen und es ihr gesagt. Dass Karola tot ist. Sie hat sich umgebracht. Genaues weiß sie noch nicht, aber es gibt wohl einen Abschiedsbrief.«
    »Sagt Ilka.«
    »Sagt ihre Bekannte.«
    »Und was steht
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