Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman
Autoren: Michael-André Werner
Vom Netzwerk:
fallen lassen, weiß in der Tiefe seines Herzens, dass ich recht habe und er bei mir Hausverbot hat.
    »Ich mach doch gar nichts. Ich bettel nicht mehr. Ich verkauf Zeitungen«, sagt er noch mal.
    »Aber nicht hier.«
    »Aber ...«
    »Nicht hier.« Ich schiebe den Vorhang zur Seite, stoße die Tür auf und geleite den unwillkommenen Gast auf die Straße. »Beim nächsten Mal hol ich die Polizei.«
    »Machst du ja doch nicht.«
    Ich zeig auf ihn. »Hau ab!«
    »Bin ja schon weg.« Er stößt seinen Zeitungsstapel auf dem Oberschenkel gerade und geht quer über die Kreuzung.
    »Ich bin an meinem Tisch drüben«, sage ich zu Rolf, als ich wieder reinkomme, und setze mich zu Sarah, Armin und noch einem Typen, den ich noch nie hier gesehen habe.
    »Na?«, sagt Sarah.
    »Na?«, antworte ich.
    »Na?«, sagt Armin.
    »Na?«, antworte ich.
    Der Neue am Tisch sagt nichts, darum sage ich auch nichts.
    »Und? Was Neues?«, werfe ich in die Runde, um das eben erstorbene Gespräch wiederzubeleben.
    »Nö.«
    »Worüber habt ihr euch gerade noch unterhalten, ehe ich gekommen bin?«
    Sarah und Armin sehen sich an. Dann zuckt Armin mit den Schultern und Sarah verzieht den Mund.
    »Ihr solltet nicht so viel trinken«, sage ich. »Ihr werdet ja dement.«
    »Erstens«, sagt Armin, »musst du das gerade sagen, du verdienst doch an uns.«
    »Und zweitens hat das eine mit dem anderen nichts zu tun«, sagt Sarah. »Demenz ist eine Krankheit, die kriegt man oder man kriegt sie nicht, das hat nichts mit Trinken zu tun.«
    »Und drittens?«, frage ich den Neuen, der mir gegenüber zwischen Sarah und Armin sitzt. Er blickt mich verblüfft an, dass überhaupt jemand mit ihm spricht, und sagt: »Ähh ...«
    »Schon gut«, sage ich, »war ein Scherz.«
    Er nickt.
    »Das ist geschäftsschädigend, was du machst«, sagt Sarah zu mir.
    »Auweia«, sage ich, »wenn das der Chef erfährt.«
    »Ich kann es deiner Freundin ja mal erzählen.«
    »Haha, der war gut«, sagt Armin.
    »War er nicht«, sagen Sarah und ich unisono. Der Neue grinst.
    »Warum trinkst du eigentlich nichts?«, fragt Armin.
    »Weil ...«, antworte ich, dann stehe ich auf, gehe rüber zum Tresen und nehme mein Glas, das dort immer noch steht.
    »Hättest ja mal was sagen können«, meckere ich Rolf an.
    »Du hättest ja auch mal was sagen können«, gibt er zurück. »Dann hätt ich’s dir vielleicht gebracht.«
    »Hättest es auch so machen können, ohne dass ich was sagen muss.«
    Rolf zieht die Schultern hoch.
    »Haste schon die Anzeige aufgegeben, dass wir eine neue Kellnerin brauchen?«
    »Jepp.«
    Ich nicke. »Gut.« Dann setze ich mich wieder zu meinen Freunden.
    »Prost«, sagt Armin, und ich hebe mein Glas ein wenig.
    »Und bei dir?«, fragt Sarah.
    »Nichts Neues«, sage ich und schüttle leicht den Kopf.
    »Na, keine Nachrichten sind ja auch gute Nachrichten, also, wenn man keine bekommt, bekommt man auch keine schlechten, also nur gute«, sagt Armin.
    »Schon klar«, sagt Sarah.
    »Ich zieh weg«, sagt der Neue.
    »Ach nee«, sagt Sarah. »Nun also doch.«
    »Ja.«
    »Wohin denn?«, fragt Armin.
    »Hamburg.«
    »Wisst ihr ...?«, fragt Armin, aber Sarah unterbricht ihn mit einem: »Wieso Hamburg?«
    »Ich hab da nen Job«, sagt der Neue.
    »Sag an.«
    »Na, das ist ein Grund«, sage ich.
    »Wisst ihr, was ...«, fängt Armin noch mal an.
    »Ja, das ist wirklich ein Grund«, sagt Sarah.
    »Wisst ihr, wo ich ...«, fragt Armin wieder, und so langsam scheint er sich heranzutasten, an den Satz, den er sagen will, jedes Mal ein Wort mehr, und wenn wir ihn noch öfter unterbrechen, so wie ich jetzt, kriegen wir am Ende des Abends doch noch heraus, was er eigentlich fragen will.
    »Auf den neuen Job«, sage ich und erhebe mein Glas, und Sarah, der Neue und Armin, der allerdings mit saurem Gesicht, prosten mir zu, und Armin nutzt die Gelegenheit, dass wir alle trinken, und sagt: »Wisst ihr, wo ich gern mal hin möchte?«
    »Nein.«
    »Nun sag schon«, sagt Sarah.
    Armin holt tief Luft und spricht dann sehr langsam und betont: »Korn – west – heim.«
    »Wo?«
    »Kornwestheim«, wiederholt er.
    »Kornwestheim?«, fragt Sarah, und Armin nickt.
    »Wieso das denn?«
    »Wo is’n das überhaupt?« fragt der Neue.
    Armin zuckt mit den Schultern. »Ich weiß nicht.« Er schaut in die Runde und schließlich zu mir, als erwarte er von mir eine Antwort.
    »Und wieso willst du dahin?«, fragt Sarah.
    »Ich finde, das klingt so schön«, sagt Armin, »Kornwestheim, so nach ganz viel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher