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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman
Autoren: Michael-André Werner
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mitbekommen. Nett halt. Und wenn du mit ihr glücklich warst ... Hast du Martin eigentlich gemocht?«, fragt sie.
    »Nö«, sage ich.
    Beate lacht auf. Sie gießt Milch in eine große Tasse, schüttet einen großen Löffel Kaffeepulver hinein und rührt um, stellt mir die Tasse auf den Tisch. »Hier.«
    »Danke.«
    »Vielleicht«, sage ich, »sollte man keine Beziehung haben, solange so jemand wie Alexander existiert.«
    »Solche Typen gibt es immer«, sagt Beate, gießt sich Tee ein und setzt sich.
    »Dann wenigstens nicht, solange so jemand im Bekanntenkreis herumschwirrt. Der ist doch wie ein schwarzes Loch.«
    »Ruf sie an«, sagt Beate. »Du willst doch nicht werden wie Alexander.«
    »Ich bin nicht wie ...«
    »Ruf sie einfach an. Ihr müsst ja nicht wieder zusammenkommen, wenn du nicht willst. Aber ihr müsst es klären.« Sie hebt ihre Teetasse. »Versprochen?«
    »Ich verspreche nie etwas«, sage ich und hebe meine Kaffeetasse. »Und anstoßen mit Kaffee find ich albern.«
    »Prost«, sagt sie.

VOR NICHT GANZ ZWEI JAHREN
    »Der Typ vom Lebensmittelamt war heute Vormittag da«, sagt Rolf, weil ihm beim Gläserspülen langweilig ist und ich gerade am Tresen stehe.
    »Meienheinrich«, sage ich.
    Rolf nickt und schüttelt gleich darauf den Kopf. »Ein komischer Kerl.«
    »Was hat er denn gemacht?«, frage ich.
    »Eigentlich nichts«, sagt Rolf, »also nichts Ungewöhnliches. Kommt morgens hier rein, um elf, sagt: ›Guten Tag, mein Name ist Meienheinrich vom Lebensmittelamt, ich komme wegen der jährlichen Inspektion.‹ Kuckt einen dabei nicht an und hatte noch so einen jungen Typen dabei, vielleicht achtzehn, zum Einlernen, so ein dünner, blasser stiller Junge. War vielleicht auch sein Sohn.« Rolf zuckt die Schultern.
    »Beamtenstellen werden nicht vererbt«, sage ich.
    »Ja.« Rolf spült weiter Gläser.
    »Und?«, frage ich. »Hat er was beanstandet?«
    Rolf schüttelt den Kopf. »Paar Kleinigkeiten. Ich hab den Zettel schon abgeheftet. Hinten. Dass die Tür zur Hausflur klemmt von wegen Fluchtweg, die Spüle in der Küche fand er ein bisschen dreckig,und dann das wacklige Regal. Ach, und er hat gefragt, wo die Fritteuse sei.«
    »Fritteuse?«
    »Ich hab ihm auch gesagt, dass wir nie eine hatten. Da hat er mich angekuckt wie ein Auto. Und dann hat er gesagt: ›Keine Fritteuse.‹ ›Nein‹, hab ich gesagt. ›Keine Fritteuse.‹ Und dann hat er sich einen Vermerk gemacht.«
    Ich grinse. »Hat er was zu dem Pudding gesagt?«, frage ich.
    »Gesagt nicht«, antwortet Rolf und grinst auch. »Er kommt in die Küche, gibt seinem kleinen Gehilfen ein Zeichen, und der macht nach und nach alle Schränke und Schubfächer und Kühlschränke auf. Und als er den zweiten Kühlschrank aufmacht, schaut Meienheinrich hinein, sieht die vielen Becher, öffnet den Mund und gibt dann das Zeichen zum Schließen der Tür.«
    »Und er hat nichts dazu gesagt?«
    »Nö.« Rolf stellt ein Glas ins Regal und nimmt sich das nächste zum Putzen. »Nur noch mal ›Fritteuse‹ hat er gesagt.«
    »Fritteuse?«
    Rolf zuckt mit den Schultern. »Als ich dann zum Abschied ›Bis zum nächsten Jahr‹ gesagt habe, hat er nur gebrummt.«
    »Vielleicht geht er in Rente.«
    »Vielleicht«, sagt Rolf und stellt wieder ein Glas ins Regal.
    »Ich werde ihn vermissen«, sage ich.
    »Wirklich?« Rolf hält mit dem Gläserputzen inne und sieht mich erstaunt an.
    »Vielleicht«, sage ich, »kann doch sein. Werd ich ja sehen im nächsten Jahr.«
    Rolf kuckt skeptisch zu mir, dann hoch, an mir vorbei.
    »’n Abend«, höre ich eine Stimme hinter mir. »Berliner, taz, Tagesspiel, Tüpp ...«
    Ich drehe mich um. Ein junger Mann ist durch den Vorhang getreten, hat die Arme voller Zeitungen und Zeitschriften von morgen. Er trägt einen grauen, leicht schmuddeligen Kapuzenpullover und schiebt sich die Kapuze gerade von seinem strubbelhaarigen Kopf.
    »Raus!«, rufe ich.
    »Zeitung von morgen«, sagt er, ohne mich zu beachten, und steht schon am ersten Tisch mit Gästen. »Die Zeitung von morgen, Berliner, taz, Tagesspiel, tüpp, zitt ...«
    Mit drei Schritten bin ich neben ihm, packe ihn am Arm und ziehe ihn vom Tisch weg. Die Zeitungen rutschen, aber er kann sich an ihnen festklammern, nichts fällt.
    »Raus!«, sage ich noch mal.
    »Ey«, sagt er, »lass mich.«
    »Zabel, du hast hier Hausverbot!«
    »Ich mach nichts mehr. Ehrlich. Ich verkauf jetzt Zeitungen.« Sein Versuch, sich loszureißen, ist halbherzig,er will ja seine kostbaren Printmedien nicht
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