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Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Titel: Paul Klee - Die Lebensgeschichte
Autoren: Christiane Weidemann
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Glücksklee
    Wer die Wahl hat, hat die Qual! Paul muss sich entscheiden.
    D er kleine Paul liegt im Bett und kann nicht schlafen. Er liebt die Stimme seiner Mutter, die gedämpft aus dem Nachbarraum ins Kinderzimmer dringt. Ida, so heißt Pauls Mutter, ist ausgebildete Sängerin. Jeden Abend musiziert sie gemeinsam mit seinem Vater Hans, der am Bernischen Lehrerseminar Musik unterrichtet und insgesamt sieben Instrumente spielen kann! Das möchte Paul auch mal können.
    Er lauscht noch einmal, ob die Musik der Eltern noch zu hören ist, schlägt dann die Federdecke zurück und knipst die Nachttischlampe an. Kopfüber hangelt er sich aus dem Bett und zieht langsam einen großen, schweren Koffer darunter hervor. Vorsichtig klappt er den Deckel hoch.
    Paul kann sich fast im Holz spiegeln, so glatt und glänzend ist der Geigenkörper. Er hockt sich auf die Bettkante und nimmt die Geige auf den Schoß. Sein Herz klopft schnell und laut. Er setzt den Bogen an, die Melodie hat er ganz genau im Kopf. Dann schließt er die Augen und bunte Lichter erscheinen, tanzen vor seinem Gesicht, verwandeln sich in Sterne, Blumen, Fantasiewesen!
Paul wird ganz warm ums Herz, seine Beine fangen an zu kribbeln, in seinem Kopf beginnt es zu rauschen. Immer gekonnter wird das Geigenspiel. Paul ist, als würden ihm Flügel wachsen, als würde er aus dem Zimmer durchs offene Fenster hinaus in die Sternennacht schweben …
    »Paul!« Die Stimme seiner Mutter reißt ihn aus den Träumen. »Was machst du denn da am Fenster?«
    Paul blickt an sich herab, wundert sich, dass er einen Schlafanzug trägt und – wo ist denn seine Geige?
    »Es ist längst Zeit zu schlafen, in ein paar Stunden beginnt schon die Schule! Und du weißt doch, morgen ist ein ganz besonderer Tag. Komm, leg dich wieder hin.«
    Ida fasst Paul an den Schultern, führt ihn zu seinem Bett und deckt ihn zu.
    »Mama«, murmelt Paul noch, bevor ihm die Augen zufallen, »Mama, zum Geburtstag wünsche ich mir eine Geige.«
    Am nächsten Vormittag sitzt Paul noch etwas müde von seinem nächtlichen Fantasieausflug in der Schule. Heimatkunde. Paul langweilt sich. Fräulein Mäder erzählt irgendwas von der Flora und Fauna, die sie bei ihrem letzten Ausflug ins Berner Oberland erkundet haben. Der Ausflug hat Paul gefallen. Zusammen mit den anderen Schülern war er fröhlich über Stock und Stein gekraxelt, immer auf der Suche nach besonderen Pflanzen. Und in den Tälern der Berner Alpen wachsen tolle Pflanzen! Sogar Orchideen haben sie gesehen. Tausende verschiedene Arten dieser Pflanzenfamilie gibt es, hat das Fräulein Mäder erklärt, und jedes Jahr werden neue entdeckt. Das hat Pauls Ehrgeiz angestachelt, unbedingt wollte er eine neue Art entdecken! Stattdessen ist er dann auf etwas anderes, ganz Unscheinbares gestoßen, das ihn jedoch umso mehr fasziniert hat …

    Paul greift nach seinem Zeichenstift. Seine Stifte haben alle Namen. Dieser heißt Mathi, wie seine fast vier Jahre ältere Schwester Mathilde. Er hält Mathi in der linken Hand, seiner Zeichenhand. Die rechte gebraucht er fast ausschließlich zum Schreiben. Pauls Hand holt aus, schlägt einen Bogen, und noch einen, und führt die Linie wieder am Anfangspunkt zusammen. Pauls Hand schlägt weitere Bogen, aus denen Herzformen werden, zeichnet vier aneinanderliegende Blätter. Genau so hat er das Kleeblatt in Erinnerung. Glücksklee. Jeden Tag kann er sich das Blatt anschauen. Er hat es damals gepflückt, behutsam in sein Schreibheft gelegt, im Rucksack mit nach Hause getragen und dann gepresst. Nun liegt es fein säuberlich in einem Glasgefäß in seinem Regal.
    Pauls Vater meint, wenn man ein vierblättriges Kleebatt findet, kann man sich etwas wünschen. Das hat sich Paul nicht zweimal sagen lassen.
    Die erste Geige spielen
    »Er ist da!« Als Paul von der Schule nach Hause kommt, in die Länggasse in Bern, sieht er gerade noch den Kopf seiner Schwester durch den Türschlitz verschwinden.
    »Dä Päuli hät Geburtstag,
    chömed singäd ali mit,
    wünsched Gsundheit und vil Glück!«
    Ida, Hans und Mathilde schmettern vor einem köstlich aussehenden Kuchen mit einer großen Sieben aus Sahnetupfen Pauls Geburtstagsständchen, auf Schweizerdeutsch. Hmm, die ganze Wohnung duftet nach Zimt und Apfel! Aus den Augenwinkeln sucht Paul die Küche heimlich nach seinem Geschenk ab. Eigentlich dürfte es ja nicht zu übersehen sein! Wo ist es nur?
    »Unser Päuli fragt sich bestimmt, ob er gar kein Geschenk bekommt!« Der Vater, eine
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