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Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"

Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"

Titel: Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
Autoren: Jennifer Blake
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1. KAPITEL
    A pril Halstead umklammerte den Telefonhörer so fest, dass ihre Knöchel schmerzten. Sie schaute mit ungläubig aufgerissenen Augen auf die Bücherwände ihres Arbeitszimmers. Die Worte, die an ihr Ohr drangen, waren krude und vulgär. Dass sie an den Kontrollen des Senders vorbeigeschleust wurden, verstärkte die obszöne Drohung, die sie enthielten, noch.
    So etwas sollte nicht passieren, nicht bei einem Live-Telefoninterview im Radio mit Hunderttausenden von Zuhörern. Es war ein öffentlicher Affront.
    Mit hämmerndem Herzen bekämpfte April den Drang, sofort aufzulegen. Das konnte sie nicht tun. Sie war der besondere Gast in dieser Morgensendung, die in einem großen Teil von Südlouisiana ausgestrahlt wurde. Sie musste etwas sagen, irgendetwas, um den obszönen Redefluss zu unterbrechen, aber in ihrem Kopf herrschte plötzlich gähnende Leere.
    Ein lautes Klicken ertönte, als der Moderator in seinem Studio Meilen entfernt die Verbindung mit dem Anrufer kappte. „Ich entschuldige mich für diesen Vorfall, Ms. Halstead“, sagte er in geschultem Tonfall. „Es gehört schon einiges dazu, um durch unser engmaschiges Kontrollnetz zu schlüpfen, aber hin und wieder schafft es irgendein Spinner eben doch – das gehört zu den Risiken einer Live-Sendung. Ich muss gestehen, dass ich überrascht war. Mit einer derartigen Reaktion rechnet man bei einem Telefoninterview mit einer der bekanntesten Liebesromanautorinnen Louisianas einfach nicht. Und bestimmt ist es nicht das, womit Ihre Leserinnen rechnen müssten, ist das richtig?“
    „Absolut“, antwortete April. Für einen Sekundenbruchteil fragte sie sich, ob der Moderator den Anrufer absichtlic noch ein paar Sekunden länger hatte reden lassen, damit er die Überleitung zu dieser Frage hatte. Der Gedanke bewirkte, dass plötzlich Verärgerung in ihr aufstieg, die ihr half, sich zu beruhigen. „Ich ziehe es vor, mich auf die Dynamik in der Beziehung zwischen Mann und Frau zu konzentrieren – der wichtigsten zwischenmenschlichen Beziehung, die es gibt.“
    Der Moderator hatte offenbar kein Interesse daran, diese Behauptung zu hinterfragen. „Interessant“, bemerkte er. Dann fuhr er schnell fort: „Und wie denken Sie sich einen Liebesroman aus? Woher nehmen Sie Ihre Ideen?“
    „Von überall her, aus Tageszeitungen und Zeitschriften, manchmal ist es nur irgendeine Bemerkung, die ich beim Einkaufen höre.“ April rasselte dieselbe Erklärung herunter, die sie in den vergangenen neun Jahren, seit ihr erstes Buch die Bestsellerlisten erobert hatte, in Interviews schon tausend Mal gegeben hatte. Normalerweise fühlte sie bei derart vorhersehbaren Fragen ein Gefühl von Resignation in sich aufsteigen, aber heute war sie froh, dass sie nicht überlegen und schnell reagieren musste. Im Lauf des Interviews kam der Moderator darauf zu sprechen, dass es eine intime Angelegenheit sei, Liebesromane zu schreiben, und ließ eine leicht widerwillige Bewunderung für jemand erkennen, der es geschafft hatte, mehrere Millionen Bücher zu verkaufen. So gab es zum Glück keine weiteren Überraschungen mehr.
    Ein paar Minuten später bedankte sich April bei dem Moderator für sein Interesse und legte auf. Damit ihre Hände aufhörten zu zittern, legte sie sie fest gefaltet auf den Schreibtisch. Dann machte sie die Augen zu und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Bis auf die ersten beiden Fragen war von dem Interview nur ein Riesenchaos in ihrem Kopf übrig geblieben. Sie wusste nicht, ob es gut gelaufen oder womöglich ein absoluter Flop gewesen war.
    Der Druck in ihrem Kopf verursachte ihr Übelkeit. Der Drang aufzuspringen und laut zu schreien war so stark, dass sie kaum dagegen ankam. Das Einzige, was sie abhielt, war die Angst, dass sie womöglich nicht mehr aufhören könnte zu schreien, wenn sie erst einmal angefangen hatte.
    Sie mochte Telefoninterviews nicht, auch wenn sie bequem waren, da man sie von zu Hause aus geben konnte, wo es niemanden störte, dass sie ihre abgerissensten Jeans und ein ausgeleiertes Sweatshirt trug. Sie waren viel zu unpersönlich, und wenn man keinen Blickkontakt mit dem Fragesteller hatte, war es manchmal schwierig zu entscheiden, worauf er mit seiner Frage tatsächlich abzielte. Die Live-Sendungen, wo Zuhörer anrufen konnten, waren die schlimmsten, weil man unmöglich vorhersagen konnte, welche Leute anrufen und was sie sagen würden. Dennoch hatte sie noch nie vorher bei einer derartigen Gelegenheit einen obszönen Anruf
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