Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"

Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"

Titel: Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
Autoren: Jennifer Blake
Vom Netzwerk:
wehte eine leise Brise. Zwei junge Menschen, die eng ineinander verschlungen schwitzend und atemlos über eine zerknitterte Decke rollten, neben sich die Überreste eines Picknicks. Ein Kassettenrekorder, aus dem die Klänge von
Nachmittag eines Fauns
kamen.
    Bis zum heutigen Tag konnte sie es nicht ertragen, Debussy zu hören. Genauso wenig wie sie es ertragen konnte, jetzt daran zu denken.
    Sie griff nach der Türklinke und machte sich bereit, unter Missachtung aller guten Manieren, die man ihr als Kind beigebracht hatte, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen. „Ich brauche keine Hilfe“, sagte sie so entschieden, wie sie konnte.
    Er streckte die Hand aus, um die Tür aufzuhalten. „Gut, alles klar. Du würdest dich also lieber von einem Verrückten vergewaltigen lassen, als mir zu erlauben, auch nur einen Fuß über deine Schwelle zu setzen. Okay, ich habs kapiert. Du brauchst weder mich noch sonst jemanden. Ich frage mich nur, was du allein in diesem riesigen Haus machen willst, wenn dich jemand überfällt? Durch die Hintertür könnte eine ganze Armee einmarschieren, ohne dass du es hörst. Hast du wenigstens eine Pistole im Haus?“
    „Wofür? Um Zielschießen auf eine vorbeihuschende Kakerlake zu veranstalten? Ich ziehe geräuschlosere Insektenvertilgungsmittel vor.“
    Er starrte sie einen Moment an, und als ihm dämmerte, was er gerade gesagt hatte, wurde seine Miene weicher. „Eine Pistole ist nur eine Waffe“, sagte er ruhig. „Sie tötet nicht von selbst.“
    Es gab nicht viele Menschen, die ihren verwickelten Gedankengängen folgen oder verzwickte Querbeziehungen herstellen konnten. Früher war es Lukes Stärke gewesen, dass er, wenn er sich Mühe gab, dazu in der Lage war. Das hatte sie nur vergessen. Die Erinnerung daran ließ ein verwirrendes Gefühl von Intimität in ihr zurück. Als sie jetzt erneut das Wort ergriff, schwang in ihrer Stimme eisige Zurückweisung mit: „Ich werde daran denken, wenn ich das nächste Mal Blumen auf das Grab meiner Mutter stelle.“
    „Und woran wirst du denken, wenn dir jemand ein Messer an die Kehle setzt?“
    Sie legte die Hand an ihren Hals, dann ließ sie unvermittelt wieder sinken. „Was wäre dir denn am liebsten? Dass du mich gewarnt hast?“
    „Mir wäre es am liebsten, wenn du sicher bist“, sagte er bedächtig. „Ich wüsste nämlich gern, dass dich nicht etwas, was ich vor tausend Jahren getan habe, in eine Einsiedlerin verwandelt hat, die vor lauter Angst, jemanden zu nah an sich heranzulassen, in ihrer baufälligen Villa in einer Blutlache endet.“
    Die Worte waren wie Peitschenhiebe, und sie fühlte jeden einzelnen davon. Mit einem grimmigen Lächeln sagte sie: „Du überschätzt dich. Der größere Teil dieser Ehre gebührt meinem Mann. Ganz zu schweigen von einem Exverleger und ein paar Rezensenten.“
    „Wenigstens gibst du zu, dass es so sein könnte. Das ist immerhin etwas.“
    „Wirklich? Schmerzvermeidung kann eine intelligente Entscheidung sein.“
    „Es ist ein Sich-Drücken“, erklärte er. „Zu leben ist eine schmerzhafte Angelegenheit, aber die Alternative ist nicht sehr aufregend.“
    „Ich brauche keine Aufregungen.“
    In den dunklen Tiefen seiner Augen glomm Belustigung auf. „Du weißt gar nicht, was du dir entgehen lässt.“
    Oh, das wusste sie ganz genau, sie sah es daran, wie er verrucht die vollen Lippen verzog, sie sah es an seinen kraftstrotzenden, geschickten Händen. „Ist es das, was du leben nennst?“ fragte sie verächtlich. „Lachen, trinken und jede Woche mit einer anderen Frau ins Bett steigen? Mir scheint es eher so, als ob du um das wirkliche Leben einen Riesenbogen machst.“
    „Das die empfindsame Künstlerseele, die du bist, in all seinen zahlreichen Schattierungen kennt?“
    „Du sagst es.“
    „Und warum hast du dann keinen Mann und ein Haus voller Kinder?“
    Seine Frage bewies, dass er auch das wusste. Als sie einen scharfen Stich verspürte, holte sie schnell tief Luft. Entweder tat es weh, weil er sie immer noch so gut kannte, oder es hatte mit alten Träumen zu tun, weil sie sich früher immer ausgemalt hatte, dass ihre Kinder so aussehen würden wie der Mann vor ihr.
    „Ich habe es zumindest versucht“, sagte sie ruhig. „Kannst du von dir dasselbe behaupten?“
    „Alles, bis auf den letzten Schritt.“
    „Das wundert mich nicht“, sagte sie in ironischer Anspielung auf seinen Lebenswandel. Gleichzeitig erinnerte sie sich daran, gehört zu haben, dass da vor ein paar Jahren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher