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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman
Autoren: Michael-André Werner
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Kellnerin malt jetzt auch«, füge ich etwas lauter hinzu und sehe zu Manuela rüber, die grinst, »aber wenn du willst, kannst du ja vorbeikommen.«
    »Nein«, sagt Petra, »ich muss erst mal Gregor davon erzählen, und dann feiern wir.«
    »Aber ohne Alkohol«, sage ich.
    »Ohne Alkohol«, sagt sie. »Bis bald.«
    »Ja, und noch mal Glückwunsch.«
    »Danke. Tschüss.«
    »Tschüss.«
    Ich lege auf und drehe mich zu Manuela um. »Meine Exfreundin ist schwanger«, sage ich und wedle mit dem Telefon herum.
    »Schön«, sagt sie.
    »Ja, schön. Wie sieht’s denn drinnen aus?«
    »Wir sind fertig«, sagt Manuela, »fast.«
    »Und dann stehst du hier draußen?«
    »Ich kann gerade sowieso nichts tun.«
    »Kellnern«, sage ich, »du könntest kellnern«, und gehe wieder rein, lege Rolf das Telefon auf den Tresen, er nimmt es und steckt es in die Aufladestation.
    »Was Wichtiges?«, fragt er.
    Ich schüttle den Kopf.
    Eine Stunde später ist alles fertig. Die Bilder hängen, die Schnittchen sind bereit, Manuela steht an der Tür und begrüßt alle Gäste persönlich, Freundinnen werden geknuddelt, deren Freunde gehändeschüttelt. Ein älteres Ehepaar zeigt sich verwundert und überrascht, derart freundlich und aufmerksam begrüßt zu werden in einer Berliner Kneipe, bis sich herausstellt, dass sie gar nicht zur Vernissage gekommen sind. Der allabendliche Zeitungsverkäufer kommt viel zu früh, und er küsst meine Kellnerin so auf den Mund, dass sich Armin an seinem Bier verschluckt.
    »Seit wann ...?«, sagt er, »... und ich dachte ...«
    »Seit einer Woche«, antwortet Sarah, »was sitzt du auch immer mit dem Rücken zur Tür.«
    »Tu ich doch gar nicht«, sagt Armin.
    Immerhin ist sie nicht mit Alexander zusammen, denke ich, etwas Besseres als diesen Idioten findet sie überall. Die Küchenhilfen kommen aus der Küche und bauen die Schnittchenplatten auf einem Tisch neben dem Tresen auf, ein mitgebrachter Blumenstrauß landet in einem bereitgestellten Wassereimerneben zwei anderen Sträußen. Manuela geht mit ihrem Zeitungsverkäufer raus zum Rauchen und mutmaßlichen Weiterknutschen.
    »Volles Haus«, sagt Armin.
    Ich weiß darauf nichts zu antworten. Dass es allmählich voll wird, bemerke ich selbst, und es ist ja auch das Ziel, wenn man eine Kneipe führt, dass diese Kneipe abends allmählich voll wird, und wenn man zu einer besonderen Veranstaltung einlädt, umso mehr. Dass das Bild an der Wand gegenüber vorwiegend blau ist, ist ebenfalls offensichtlich, trotzdem wird es Armin später am Abend wohl nicht davon abhalten, »Blaues Bild« zu sagen. Ich stehe auf und stelle mein leeres Glas auf den Tresen.
    »Schön«, sagt Rolf. »Da brauchen wir fast noch eine Kellnerin.«
    »Ja, zumal unsere heute kaum kellnert.«
    »Wir können ja ein Schild anbringen: Heute Selbstbedienung.«
    »Oder«, sage ich und überlege, was ich sagen könnte.
    »Oder?«, fragt Rolf nach einer Weile, in der ich noch zu keinem Schluss gekommen bin.
    »Genau«, sage ich.
    »Willst du noch ein Bier?«, fragt er.
    »Erst mal nicht, danke.«
    Eine junge Frau kommt herein, wird von Manuela umarmt und zaubert Rolf ein Lächeln ins Gesicht.
    »Da«, sage ich und deute auf Corinna, »deine Freundin könnte aushelfen.«
    »So weit kommt’s noch.«
    Corinna kommt auf uns zu, geht an mir vorbei, umarmt den immer noch grinsenden Rolf, dann schlägt sie mir mit der flachen Hand auf den Oberarm: »Guten Abend.«
    »Hallo«, sage ich und beobachte, wie Manuela eine Frau in meinem Alter begrüßt, kurze, braune Haare, mit Wollmantel und Stiefeln einen Tick schicker gekleidet als hier in der Gegend üblich. Etwa die Mutter? Extra angereist aus Kleinstadthausen – ich weiß nicht mal, aus welchem westfälischen Dorf meine Kellnerin eigentlich stammt. Nein, für die Mutter ist sie wohl zu jung und die Begrüßung zu förmlich, nur minutenlanges Händeschütteln und Lächeln, während sie sich unterhalten, vielleicht eine Freundin der Mutter oder eine Dozentin aus der Uni oder ihre Frauenärztin. Manuela wünscht ihr viel Spaß und bittet sie mit einer Geste, hereinzukommen. Die Frau macht ein paar Schritte, bleibt dann stehen, blickt sich kurz um, nimmt ihre Umhängetasche ab und stellt sie auf den freien Stuhl an unseren Stammtisch, dort, wo ich bis eben noch gesessen habe, nicht ohne vorher Sarah und Armin und den Glatzkopf gefragt zu haben. Der Glatzkopf weiß instinktiv, dass er hier nichts zu entscheiden hat, Sarah und Armin aber nicken. Sie nicken.
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