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TS 67: Der Held des Universums

TS 67: Der Held des Universums

Titel: TS 67: Der Held des Universums
Autoren: Robert Silverberg
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Die Sternriesen
    (slaves of the star giants)
     
1.
     
    Dunkelviolette Schatten strichen über den Himmel, und der Wald war häßlich und drohend. Lloyd Harkins lehnte sich an den Stamm eines mächtigen rotbraunen Baumes und sah sich benommen um, bemüht, sich zu orientieren.
    Er wußte, daß er in einer anderen Welt war. Aus seiner eigenen Welt war er verschwunden, so plötzlich, daß er nicht einmal das Gefühl des Überganges oder der Bewegung gehabt hatte – nur einfach ein seltsames unterschwelliges Gefühl des Verlustes der Welt, die er kannte und an deren Stelle eine andere getreten war.
    Er hörte in der Ferne einen rollenden Donner, der den Boden unter seinen Füßen erzittern ließ und immer lauter wurde. Vögel mit glänzenden zahnbewehrten Schnäbeln und weitausladenden Schwingen kreisten kreischend an dem schattenüberzogenen Himmel, und die Luft war kühl und feuchtigkeitsgesättigt. Harkins umklammerte den Baum, als wäre er die letzte Bastion der Wirklichkeit in einer Welt der Träume.
    Aber der Baum bewegte sich.
    Er hob sich vom Boden, schwang nach vorne und in die Höhe und zog Harkins mit sich. Das Geräusch des Donners rückte näher. Harkins schloß die Augen, öffnete sie wieder und staunte.
    Etwa drei Meter zu seiner Rechten bewegte sich noch ein Baum.
    Er legte den Kopf in den Nacken, spähte in den wolkenverhangenen Himmel und fand die Tatsache, die er nichtwahrhaben wollte, bestätigt. Die Bäume waren keine Bäume!
    Es waren Beine!
    Die Beine eines unvorstellbar großen Wesens, dessen Kopf sich fünfzehn oder mehr Meter über die Decke des dunklen Waldes hob. Ein Wesen, das begonnen hatte, sich in Bewegung zu setzen.
    Harkins klammerte sich verzweifelt an das Bein, um bei den fünf Meter langen Schritten des Kolosses nicht abgeworfen zu werden. Langsam begann die Welt um ihn Gestalt anzunehmen, und er begann die Kontrolle über seinen vor Angst förmlich erstarrten Geist zurückzuerlangen.
    Durch das helle Grün der Vegetation konnte er das Wesen sehen, an das er sich klammerte. Es war gigantisch, aber entfernt menschenähnlich und trug eine Art Jackett und Shorts, die etwa acht Meter über Harkins Kopf endeten. Von da an abwärts war eine rotbrauneHaut zu sehen, die etwa die Konsistenz von Holz besaß. Harkins kennte sogar weit oben so etwas wie ein Gesicht erkennen – ein Gesicht mit ausgeprägten fremdartigen Zügen.
    Er begann sich mit seiner Umgebung auseinanderzusetzen. Es war ein Wald – aber wo? Auf der Erde offenbar – aber auf einer Erde, die vor ihm noch niemand gekannt hatte. Die Himmelshalbkugel über ihm war mit kräftigen dunklen Farben durchsetzt, und die Vögel, die am Himmel kreisten, wirkten wie Wesen aus einem Alptraum.
    Die Erde war braun und die Vegetation grün, wenn sich auch alles andere geändert hatte.
    „Wo bin ich?“ fragte sich Harkins wieder und wieder.
    Er fand keine Antwort. Der Tag hatte ganz normal begonnen. Am frühen Nachmittag, am 21. April 1963, hatte er sich auf dem Weg zu dem Elektronik-Laboratorium in New York City befunden. Und jetzt war er hier, wo auch immer dieses ,Hier’ sein mochte.
    Sein ,Träger’ schritt weiter durch den Wald, offenbar ohne von dem Mann, der sich an seine Wade klammerte, etwas zu bemerken. Harkins Arme begannen bereits zu ermüden, und plötzlich überkam ihn der Gedanke, warum lasse ich eigentlich nicht los? Und das tat er dann auch.
    Er trat auf den Boden und blieb flach liegen. Der Boden war warm und roch angenehm nach Wachstum und Fruchtbarkeit, und einen Augenblick klammerte er sich daran, wie er sich vorher an den ,Baum’ geklammert hatte. Dann rappelte er sich auf und sah sich hastig nach einem Versteck um.
    Aber da war keines. Und eine Hand senkte sich auf ihn herab – rotbraun, riesengroß und mit schimmernden zugespitzten Nägeln bewehrt. Sanft hob die Hand des Riesen Harkins vom Boden ab.
    Er empfand Schwindel, als er von der Hand fünfzehn Meter in die Höhe gehoben wurde. Die Hand öffnete sich, und Harkins fand sich auf einer Handfläche von der Größe einer Tischplatte und blickte in ein fremdartiges ovales Gesicht mit tiefliegenden, aber nicht unfreundlichen Augen und einem breiten, fast lippenlosen Mund, in dem dreieckige Zähne blitzten. Das Wesen schien beinahe so etwas wie Mitleid mit Harkins zu empfinden.
    „Wer sind Sie?“ fragte Harkins.
    Das Lächeln des Wesens wurde breiter und noch melancholischer, aber es gab keine Antwort – nur das Rufen der Waldvögel und der ferne Donner
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