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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung
Autoren: D Koontz
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Unrecht hat, eine der Konsequenzen ihrer Kosmologie besteht nämlich darin, dass die vielen Schrecken, mit denen wir hier vertraut sind, eine Impfung gegen noch Schlimmeres in der zukünftigen Welt wären.
    Stormy sagt, was immer von uns im nächsten Leben erwartet werde, es sei der Mühe wert, teilweise schon des Abenteuers wegen, vor allem aber, weil der Lohn für den »Dienst« in unserem dritten Leben käme.
    Ich persönlich würde es vorziehen, meine Belohnung schon ein Leben früher zu erhalten, als Stormy es vorhersieht.
    Stormy jedoch steht auf das, was die Psychologen Belohnungsaufschub nennen. Wenn sie am Montag Appetit auf einen Eisbecher hat, wartet sie bis Dienstag oder Mittwoch, um sich einen zu genehmigen. Sie behauptet steif und fest, durch das Warten würde der Eisbecher besser schmecken.
    Mein Standpunkt ist folgender: Wenn man so scharf auf Eisbecher ist, sollte man einen am Montag, noch einen am Dienstag und einen dritten am Mittwoch verspeisen.
    Laut Stormy werde ich mich, wenn ich zu lange nach dieser Anschauung lebe, in einen jener dreihundertfünfzig Kilo schweren Männer verwandeln, die von Fachleuten mit dem Baukran aus ihrer Behausung gehievt werden müssen, wenn sie mal krank werden.
    »Wenn du die Demütigung hinnehmen willst, auf einem Pritschenwagen ins Krankenhaus geschafft zu werden«, hat sie
einmal gesagt, »dann erwarte von mir bloß nicht, auf deinem aufgeblähten Ranzen zu hocken wie Jiminy Grille auf der Stirn des Walfischs und ›Wenn ein Stern in finst’rer Nacht‹ zu singen.«
    Ich bin einigermaßen sicher, dass Jiminy Grille in dem Walt-Disney-Film Pinocchio nie auf der Stirn des Walfischs hockt. Genauer gesagt, bin ich noch nicht mal davon überzeugt, dass er den Wal überhaupt zu Gesicht bekommt.
    Würde ich Stormy jedoch diese Meinung mitteilen, dann würde sie mir einen jener gequälten Blicke zuwerfen, die bedeuten: Bist du eigentlich hoffnungslos verblödet, oder hast du bloß miese Laune ? Das sind Blicke, die man vermeidet, wenn nicht gar fürchtet.
    Während ich dort auf der Bettkante im Zimmer des kleinen Jungen wartete, konnten mich auch die Gedanken an Stormy nicht aufheitern. Das schaffte nicht einmal die grinsende Visage von Scooby-Doo, mit der das Bettzeug ausgiebig bedruckt war, und das war gar kein gutes Zeichen.
    Ich musste ständig daran denken, dass Harlo mit sechs Jahren seine Mutter verloren hat. Sein Leben hätte ein Denkmal für sie werden können, doch stattdessen hatte er Schande über ihr Andenken gebracht.
    Und natürlich dachte ich auch über Penny nach: über ihr Leben, das so früh beendet worden war, den schrecklichen Verlust für ihre Angehörigen und den bleibenden Schmerz, der deren Leben für immer verändert hatte.
    Penny legte ihre linke Hand in meine rechte und drückte sie beruhigend.
    Ihre Hand fühlte sich so wirklich an wie die eines lebendigen Kindes, so fest, so warm. Ich begriff nicht, wie sie mir so wirklich vorkommen und doch durch Wände gehen konnte, so wirklich für mich und doch unsichtbar für andere.

    Ich weinte ein bisschen. Das tue ich manchmal. Ich schäme mich meiner Tränen nicht. In Augenblicken wie diesem vertreiben Tränen Gefühle, die mich sonst verfolgen und dadurch verbittern würden.
    Während mir bei den ersten, noch kaum vergossenen Tränen der Blick verschwamm, ergriff Penny meine Hand mit beiden Händen. Sie lächelte und zwinkerte mir zu, als wollte sie sagen: Ist schon gut, Odd Thomas. Lass es raus, befrei dich davon.
    Die Toten haben ein feines Gespür für die Lebenden. Sie sind uns auf diesem Pfad vorangegangen und kennen unsere Ängste, unsere Schwächen, unsere verzweifelten Hoffnungen; und sie wissen, wie sehr wir uns an das klammern, was nicht von Dauer sein kann. Sie bemitleiden uns, glaube ich, und damit haben sie zweifelsohne Recht.
    Als meine Tränen getrocknet waren, stand Penny auf, lächelte noch einmal und strich mir mit der Hand das Haar aus der Stirn. Leb wohl, schien diese Geste auszudrücken, danke und leb wohl.
    Sie ging quer durchs Zimmer und durch die Wand in den Augustmorgen, ein Stockwerk hoch über dem Vorgarten – oder in ein anderes Reich, das noch heller war als der Sommer in Pico Mundo.
    Einen Augenblick später tauchte Wyatt Porter im Türrahmen auf.
    Unser Polizeichef ist zwar ein imposanter Mann, aber keine bedrohliche Erscheinung. Sein Gesicht, das sich durch die Augen eines Bassets und die Hängebacken eines Bluthunds auszeichnet, ist von der Schwerkraft stärker in
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