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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung
Autoren: D Koontz
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über den Rest seines strapazierten Knochengerüsts verteilt.
    Als ich anfangs nicht in der Lage war, einen heiteren Ton anzuschlagen, gab mir Ozzie den Rat, ich solle mich der Perspektive des unzuverlässigen Erzählers bedienen. »In Der Mord an Roger Ackroyd hat Agatha Christie das erfolgreich vorexerziert«, meinte er.
    In diesem aus der Ich-Perspektive erzählten Kriminalroman entpuppt sich der sympathische Erzähler als der Mörder
von Roger Ackroyd, was er bis zum Ende vor dem Leser verborgen hält.
    Wohlgemerkt, ich bin kein Mörder. Ich habe nichts Böses getan, was ich vor euch verberge. Meine Unzuverlässigkeit als Erzähler hat hauptsächlich mit der Zeitform mancher Verben zu tun.
    Macht euch darüber keine Gedanken. Ihr werdet die Wahrheit schnell genug erfahren.
    Abgesehen davon, habe ich mich erzählerisch nun leider schon vergaloppiert. Little Ozzie und Terrible Chester treten nämlich erst auf, nachdem die Kuh explodiert ist.
    Die Geschichte beginnt an einem Dienstag.
    Für euch ist das der Tag nach Montag. Für mich ist es ein Tag, der – wie die anderen sechs – übervoll an Gelegenheiten für Rätsel, Abenteuer und Schrecken ist.
    Das soll nicht heißen, dass mein Leben besonders romantisch und magisch wäre. Zu viele Rätsel sind einfach nur noch ärgerlich. Zu viel Abenteuer ist erschöpfend. Wenig Schrecken hat dafür eine Menge Wirkung.
    Ohne die Hilfe eines Weckers wachte ich an jenem Dienstagmorgen um fünf Uhr auf, aus einem Traum über das tote Personal einer Bowlingbahn.
    Ich stelle nie den Wecker, weil meine innere Uhr überaus zuverlässig ist. Wenn ich pünktlich um fünf aufwachen möchte, dann sage ich mir vor dem Zu-Bett-Gehen drei Mal, dass ich exakt um 4.45 Uhr aufwachen muss.
    So zuverlässig mein innerer Wecker ist, er geht aus irgendeinem Grund fünfzehn Minuten nach. Als mir das vor einigen Jahren auffiel, habe ich das Problem bereinigt.
    Der Traum über das tote Bowlingbahnpersonal stört seit drei Jahren meinen Schlaf, und zwar ein bis zwei Mal pro Monat. Die Einzelheiten sind noch nicht spezifisch genug, um in Aktion
treten zu können. Ich werde warten und hoffen müssen, dass mich die Aufklärung nicht zu spät erreicht.
    Ich erwachte also um fünf, setzte mich im Bett auf und sagte: »Verschone mich, damit ich dienen kann.« Das ist das Morgengebet, das meine Oma Sugars mir beigebracht hat, als ich klein war.
    Pearl Sugars war die Mutter meiner Mutter. Wäre sie die Mutter meines Vaters gewesen, dann hieße ich Odd Sugars, was mein Leben noch komplizierter machen würde.
    Oma Sugars glaubte daran, mit Gott verhandeln zu können. Sie nannte ihn »diesen alten Teppichhändler«.
    Vor jedem Pokerspiel versprach sie Gott, als Gegenleistung für ein paar unschlagbare Blätter auf der Hand sein heiliges Wort zu verbreiten oder das erworbene Vermögen mit den Waisen zu teilen. Ihr ganzes Leben lang hat sie sich nicht zuletzt mit dem Gewinn aus Kartenspielen finanziert.
    Als trinkfreudige Frau, die neben Poker zahlreiche andere Interessen hatte, hat Oma Sugars nicht immer so viel Zeit damit verbracht, das Wort Gottes zu verbreiten, wie sie es ihm versprochen hatte. Sie war der Meinung, Gott erwarte ohnehin, öfter übers Ohr gehauen zu werden, und nehme das nicht allzu krumm.
    Man kann Gott übers Ohr hauen und damit durchkommen, sagte Oma, wenn man es mit Charme und Witz tut. Lebt man sein Leben mit Fantasie und Begeisterung, fuhr sie fort, dann spielt Gott mit, um zu sehen, was für eine unverschämt unterhaltsame Sache man als Nächstes tut.
    Außerdem lasse Gott einen an der langen Leine, wenn man sich auf amüsante Weise staunenswert dumm verhalte. Das erkläre, behauptete Oma, weshalb unzählige Millionen atemberaubend dummer Leute ziemlich gut durchs Leben kämen.

    Dabei dürfe man anderen natürlich niemals ernsthaft Schaden zufügen, sonst finde Gott das nicht mehr amüsant. Und dann komme die Quittung für die Versprechen, die man nicht gehalten habe.
    Obwohl sie Holzfäller unter den Tisch trank und regelmäßig Pokerspiele gegen hartherzige Psychopathen gewann, die gar nicht gern verloren, und obwohl sie mit völliger Verachtung für die physikalischen Gesetze schnelle Wagen fuhr (wenn auch nie alkoholisiert) und eine an Schweinefett reiche Ernährung bevorzugte, starb Oma Sugars im Alter von zweiundsiebzig Jahren friedlich im Schlaf. Als man sie fand, hatte sie ein Lächeln auf dem Gesicht. Auf ihrem Nachttisch stand ein fast leerer Kognakschwenker, daneben lag
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