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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung
Autoren: D Koontz
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schließ deine Tür ab! Stevie, schließ deine Tür ab!«
    Als ich die offene Treppe im Flur erreicht hatte, war Harlo bereits bis zum mittleren Absatz gelangt.
    Ich sah, wieso er nach oben gelockt worden war, statt aus
dem Haus zu fliehen: Im Obergeschoss stand ein kleiner Junge mit weit aufgerissenen Augen, etwa fünf Jahre alt, nur mit einer Unterhose bekleidet. Er hielt einen blauen Teddybären am Bein und sah so verletzlich aus wie ein Hündchen, das sich auf den Mittelstreifen einer verkehrsreichen Autobahn verirrt hatte.
    Erstklassiges Geiselmaterial.
    »Stevie, schließ deine Tür ab!«
    Der Junge ließ den blauen Bären fallen und rannte in sein Zimmer.
    Harlo stürmte den zweiten Teil der Treppe hoch.
    Ich schnäuzte kitzelnden Chlor und den beißenden Geruch von brennender Erdbeermarmelade aus der Nase und erklomm tropfend und mit quietschenden Schuhen die Stufen, mit etwas weniger heroischem Flair als John Wayne in Du warst unser Kamerad .
    Ich hatte mehr Angst als meine Beute, weil ich etwas zu verlieren hatte, nicht zuletzt Stormy Llewellyn und unsere gemeinsame Zukunft, die uns der Wahrsageautomat versprochen hatte. Traf ich hier auf einen Ehegatten mit Revolver, so würde der mich ohne Zögern ebenso wie Harlo erschießen.
    Über mir schlug eine Tür zu. Stevie hatte getan, was ihn seine Mutter geheißen hatte.
    Hätte Harlo Landerson einen Kessel voll kochendem Blei gehabt wie weiland Quasimodo, dann hätte er ihn mir über den Kopf gegossen. Stattdessen kam ein Sideboard herab, das offenbar oben am Ende der Treppe im Flur gestanden hatte.
    Überrascht darüber, dass ich die Gewandtheit und Balance eines Affen – wenn auch eines nassen Affen – hatte, hechtete ich von der Treppe aufs Geländer. Das Möbelstück rumpelte Stufe um Stufe an mir vorbei. Dabei öffneten und schlossen
sich die Schubladen, als wäre das Ding vom Geist eines Krokodils besessen.
    Runter vom Geländer und die Treppe hoch. Ich erreichte den oberen Flur in dem Augenblick, als Harlo damit begann, die Zimmertür des kleinen Jungen einzutreten.
    Als er merkte, dass ich kam, trat er fester zu. Das Holz splitterte mit einem trockenen Krachen, und die Tür flog nach innen auf.
    Harlo flog mit, als wäre er von einem Energiestrudel aus dem Flur gesaugt worden.
    Ich hetzte über die Schwelle, stieß die zurückschnellende Tür beiseite und sah, wie der Junge unters Bett zu kriechen versuchte. Harlo packte ihn am linken Fuß.
    Auf dem Nachttisch stand eine Lampe in Form eines lächelnden Pandabären. Ich griff danach und schlug sie Harlo über den Schädel. Ein keramisches Gemetzel aus kecken schwarzen Ohren, einem zerborstenen weißen Gesicht, schwarzen Tatzen und weißen Bauchscherben explodierte durchs Zimmer.
    In einer Welt, in der biologische Systeme und die physikalischen Gesetze so zuverlässig funktioniert hätten, wie von der Wissenschaft behauptet wird, wäre Harlo so bombensicher bewusstlos geworden, wie die Lampe zersplittert war. Leider ist das hier keine solche Welt.
    So wie die Liebe manchen verzweifelten Müttern die übermenschliche Kraft verleiht, umgestürzte Autos anzuheben, um ihre eingeklemmten Kinder zu befreien, so verlieh die Verworfenheit Harlo den Willen, eine Panda-Attacke ohne nennenswerte Wirkung hinzunehmen. Er ließ Stevie los und stürzte sich auf mich.
    Obwohl seine Augen keine elliptischen Pupillen hatten, erinnerten sie mich an die Augen einer Schlange, die bereit war, ihr
Gift zu verspritzen, und obwohl sein geblecktes Gebiss keine gekrümmten oder dramatisch verlängerten Eckzähne aufwies, glomm die Raserei eines tollwütigen Schakals in seinem lautlosen Fletschen.
    Das war nicht der Mensch, mit dem ich noch vor wenigen Jahren auf der Highschool gewesen war, nicht der schüchterne Junge, der sich geduldig und hingebungsvoll der Restaurierung eines Pontiac Firebird gewidmet hatte.
    Das hier war das kranke und verkrümmte Gestrüpp einer Seele, dornig und giftig, das wohl bis vor kurzem in einer tiefen Windung von Harlos mentalem Labyrinth eingekerkert gewesen war. Es hatte die Gitterstäbe seiner Zelle zerbrochen und war durch den Burgfried nach oben geklettert, um den Menschen zu entthronen, der Harlo gewesen war; und nun hatte es endgültig die Herrschaft errungen.
    Freigelassen, kroch Stevie ganz unter sein Bett, doch mir bot keine Bettstatt Schutz, und ich hatte keine Decke, die ich mir über den Kopf ziehen konnte.
    Ich kann nicht behaupten, mich klar an die folgende Minute zu erinnern. Wir
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