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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts
Autoren: Roger Zelazny
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    Es ist ein Scheißgefühl, wenn man darauf wartet, daß jemand versucht, einen umzubringen. Aber es war der 30. April, und natürlich würde es geschehen, wie immer. Ich hatte eine Weile gebraucht, um zu kapieren, aber jetzt wußte ich wenigstens, wann es soweit war. In der Vergangenheit war ich zusehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, um etwas dagegen zu unternehmen. Aber nun war mein Auftrag erledigt. Ich war nur aus diesem einen Grund noch geblieben. Ich war der Meinung, daß ich die Angelegenheit unbedingt bereinigen sollte, bevor ich aufbrach.
    Ich stieg aus dem Bett, ging ins Bad, duschte, putzte mir die Zähne etcetera. Ich hatte mir wieder einen Bart wachsen lassen, deshalb brauchte ich mich nicht zu rasieren. Ich kreischte nicht wegen seltsamer Wahrnehmungen, wie ich es an jenem 30. April vor drei Jahren getan hatte, als ich mit Kopfschmerzen und einer Vorahnung aufgewacht, die Fenster aufgestoßen und in die Küche gegangen war, um zu entdecken, daß sämtliche Gasdüsen aufgedreht worden waren - ohne daß Flammen entzündet worden wären. Nein, es war nicht einmal so wie an jenem 30. April vor zwei Jahren, in der anderen Wohnung, als ich vor dem Morgengrauen von einem schwachen Rauchgeruch aufgeweckt worden war und feststellte, daß die Bude brannte. Dennoch blieb ich außerhalb der direkten Linie der Leuchtkörper, für den Fall, daß die Glühbirnen mit etwas Entflammbarem gefüllt wären, und ich bediente alle Schalter eher durch ein schnelles Schnippen als durch Drücken. Nichts Unerfreuliches folgte diesen Handlungen.
    Normalerweise stelle ich die Kaffeemaschine am Abend vorher mit vorprogrammierter Zeit ein. An diesem Morgen wollte ich jedoch keinen Kaffee, dessen Zubereitung ich nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Ich setzte eine frische Kanne voll auf und überprüfte mein Gepäck, während ich darauf wartete, daß das Wasser durchlief. Alles, was mir an diesem Ort etwas wert war, war in zwei mittelgroßen Kisten untergebracht - Kleidung, Bücher, Gemälde, einige Instrumente, ein paar Andenken und so weiter. Ich verschloß die Kisten. Etwas Kleidung zum Wechseln, ein Sweatshirt, ein gutes Taschenbuch und ein Packen Reiseschecks verstaute ich in meinem Rucksack. Ich würde meinen Schlüssel beim Hinausgehen beim Hausverwalter abgeben, damit er die Nachmieter hineinlassen konnte. Die Kisten sollten eingelagert werden.
    Das Joggen fiel an diesem Morgen für mich aus.
    Ich schlürfte meinen Kaffee und wanderte von einem Fenster zum anderen, wobei ich neben jedem stehenblieb und die Straßen unten sowie die Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite einer umfassenden Betrachtung unterzog (der letztjährige Anschlag war von jemandem mit einem Gewehr unternommen worden), und dachte zurück an das erste Mal, als es passiert war, vor sieben Jahren. Ich war an einem schönen Frühlingsnachmittag arglos an einer Straße entlanggeschlendert, als ein ankommender Lkw herumschwenkte, über den Bordstein holperte und mich beinahe an einer Backsteinmauer zerquetscht hätte. Es gelang mir, aus dem Weg zu hechten und mich wegzurollen. Der Fahrer erlangte das Bewußtsein nicht mehr wieder. Der Vorfall hatte den Anschein einer jener Schicksalslaunen gehabt, die unser aller Leben dann und wann überfallen.
    Am gleichen Tag im darauffolgenden Jahr jedoch spazierte ich spät abends von der Wohnung meiner Freundin nach Hause, als ich von drei Männern angegriffen wurde - einer war mit einem Messer bewaffnet, die anderen beiden trugen abgebrochene Rohre -, ohne daß sie auch nur die Höflichkeit besessen hätten, zuerst meine Brieftasche zu verlangen.
    Ich ließ die Überbleibsel der Auseinandersetzung im Eingang eines nahen Schallplattenladens zurück, und obwohl ich mir auf dem Nachhauseweg so allerlei Gedanken darüber machte, kam es mir erst am folgenden Tag in den Sinn, daß es genau der Jahrestag des Lkw-Unfalls gewesen war. Doch selbst dann noch tat ich das als einen seltsamen Zufall ab. Die Sache mit der Briefbombe, die im darauffolgenden Jahr die Hälfte einer anderen Wohnung zerstört hatte, veranlaßte mich allmählich zu der Überlegung, ob die statistische Natur der Wirklichkeit zu dieser Jahreszeit in meiner Umgebung vielleicht unter einer besonderen Spannung stand. Und die Ereignisse der folgenden Jahre waren dazu angetan, dies in eine feste Überzeugung zu verwandeln.
    Jemand hatte Spaß an dem alljährlichen Versuch, mich umzubringen, so einfach war das. Wenn die Bemühung fehlschlug,
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