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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben
Autoren: Susanne Gerdom
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»Prinzessin! Ach, bitte, Hoheit!« Vanandel überhörte das Gejammer ihrer Zofe, die hinter ihr herhastete, und schnitt eine zornige Grimasse. Zorn war das Gefühl, das sie in letzter Zeit am häufigsten empfand, dicht gefolgt von hilfloser Wut und kurzen Momenten der Resignation, ehe ihr Vater oder einer seiner Hofbeamten es schaffte, sie erneut zur Weißglut zu treiben.
    Â»Prinzessin, bitte, Seine Markgräfliche Hoheit erwartet Ihre Anwesenheit im kleinen Audienzsaal!« Der Zofe gelang das Kunststück, gleichzeitig zu keuchen und zu flehen. Vanandel steigerte ihr Tempo und stürmte durch den langen, mit schwarzweißen Marmorfliesen ausgelegten Korridor. Sie warf sich gegen die schwere Tür aus dunkelrotem Eisenholz, die widerwillig nach außen aufschwang, und schmetterte sie der Zofe vor der Nase zu. Einen Moment lang blieb sie an die Tür gelehnt stehen, während auf der anderen Seite das Mädchen jammerte und gegen das dicke Holz patschte. Sie würde sie nicht weiter verfolgen, das tat sie nie, wenn Vanandel erst einmal den hochherrschaftlichen Flügel verlassen hatte.
    Â»Dumme Gans«, murmelte Vanandel und stieß sich energisch von der Tür ab. Sie richtete ihr von der Flucht leicht derangiertes Mieder und pustete eine Haarsträhne zurück, die sich aus ihrer kunstvoll gerichteten Frisur gelöst hatte. »Würdelos«, hörte sie die Stimme ihrer Gouvernante zischeln. »Du benimmst dich höchst unpassend und würdelos. Pfui, mein Kind. Denk daran …«
    Â»â€¦ was du deinem Stand und deinem erlauchten Vater schuldig bist«, ergänzte Vanandel laut. Ihre Gouvernante war schon lange tot und lag auf dem Seelenacker begraben, genau wie Vanandels Mutter. Aber ihre nörgelnde, scharfe Stimme begleitete sie immer noch und gab selten Ruhe. Vanandel benahm sich kaum jemals so, dass die arme Seele Ruhe finden konnte.
    Sie überquerte energischen Schrittes den kleinen Hof und sprang die Stufen zum Westflügel empor. Die Tür, die sie nun aufstieß, war aus schlichter Eiche, weniger reich mit Schnitzwerk versehen, weniger prächtig und dafür etwas leichter zu bewegen.
    Hallend fiel sie hinter ihr ins Schloss und sperrte das Tageslicht aus. Vanandel sah das düstere Treppenhaus hinauf und kaute auf ihrer Lippe. Die Studierstube des Magisters lag im Souterrain, weil der alte Sonderling zu viel Tageslicht als Störung seiner Gedanken empfand. Die Wohnung ihres Hauslehrers dagegen befand sich hoch oben unter dem Dach, denn der markgräfliche Barde – welche Funktion ihr Hauslehrer eigentlich ausfüllte – mochte es nicht leiden, »wenn jemand auf seinem Kopf herumlief«.
    Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Nun ja, Vergnügen …
    Vanandel lächelte, zum ersten Mal an diesem bisher wenig vergnüglichen Tag, und spitzte die Lippen zu einem burschikosen Pfiff. Der schrille Ton geisterte durch das Treppenhaus und verlor sich irgendwo oben unter den Sparren des Daches. In der Ferne hörte sie den Schrei eines großen Greifvogels, der das allgegenwärtige Gurren der Tauben für einen Moment verstummen ließ.
    Â»Auf, mein Mädchen«, sagte sie laut zu sich selbst und klatschte in die Hände. Sie stieg die steile Treppe hinab ins untere Geschoss und wünschte sich wie immer, sie hätte eine Lampe oder wenigstens eine Kerze dabei, denn dort unten war es so finster wie in einer Männerunterhose. » Kind! «, hörte sie den entsetzten Schrei ihrer Gouvernante in ihrem Kopf. Sie streckte dem Geist die Zunge heraus.
    Ihre Hand glitt an der rauen Kellerwand entlang, während sie die Türen abzählte, um schließlich fest an die siebte Tür auf der linken Seite zu klopfen.
    Drinnen fiel polternd etwas zu Boden, dann zerschellte etwas mit einem lauten Klirren. Ein saftiger Fluch drang nach draußen, gedämpft durch die dicke Tür, die nun aufschwang. Vanandel betrat den höhlenartigen Raum. Ein Feuer brannte in einem eisernen Ofen, und auf einer riesigen, zernarbten und von Brandlöchern übersäten Tischplatte flackerten schief und krumm ein paar Kerzen in einer Pfütze ihres eigenen Wachses. Ein Brenner neben einem schiefen Bücherstapel zischte leise mit bläulicher Flamme vor sich hin; zerbeulte Messingtiegel, Glasgefäße mit seltsam schillerndem Inhalt, kupferne Spiralrohre und geschliffene Steine spiegelten in allerlei Farben die zuckenden
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