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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts
Autoren: Roger Zelazny
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trat eine einjährige Pause ein, bevor ein neuer Versuch unternommen wurde. Es erschien beinahe wie ein Spiel.
    Aber in diesem Jahr wollte ich das Spiel mitgestalten. Meine Hauptsorge war, daß er, sie oder es offenbar niemals anwesend war, wenn das Ereignis eintrat, sondern vielmehr Heimlichkeit, Tricks oder Mittelsleute vorzog. Ich werde diese Person als S bezeichnen (was in meiner privaten Kosmologie manchmal für >Schleicher< und manchmal für >Scheißer< steht), weil X schon so abgegriffen ist und weil ich keine Lust habe, mich mit Pronomen zweifelhafter Vorrangigkeit abzumühen.
    Ich spülte meine Kaffeetasse und die Kanne aus und stellte sie in den Abtropfständer. Dann nahm ich meine Tasche und brach auf. Mr. Mulligan war nicht zu Hause, oder er schlief, also warf ich den Schlüssel in seinen Briefkasten, bevor ich die Straße hinaufging, um in einem nahegelegenen Imbißladen mein Frühstück einzunehmen.
    Es herrschte nur wenig Verkehr, und alle Fahrzeuge benahmen sich ordentlich. Ich ging langsam, horchte in alle Richtungen und hielt die Augen aufmerksam offen. Es war ein angenehmer Morgen, der einen schönen Tag verhieß. Ich hoffte, die Dinge schnell erledigen zu können, damit ich ihn müßig genießen könnte.
    Ich erreichte den Imbißladen, ohne belästigt worden zu sein. Ich setzte mich an einen Platz neben dem Fenster. Gerade als der Kellner kam, um meine Bestellung entgegenzunehmen, sah ich eine vertraute Gestalt, die schwungvoll die Straße entlangspazierte - einen früheren Schulkameraden und späteren Arbeitskollegen -, Lucas Raynard, einsachtzig groß, rothaarig, trotz oder vielleicht gerade wegen einer künstlerisch gebrochenen Nase gutaussehend, mit der Stimme und dem Benehmen des Handelsvertreters, der er tatsächlich war.
    Ich klopfte ans Fenster, und er sah mich, winkte, machte kehrt und trat ein.
    »Merle, ich habe recht gehabt«, sagte er, während er auf den Tisch zukam, mir kurz auf die Schulter klopfte, sich setzte und mir die Speisekarte aus der Hand nahm. »Ich habe dich zu Hause nicht angetroffen und vermutet, daß du hier bist.«
    Er senkte den Blick und vertiefte sich in die Speisekarte.
    »Warum?« fragte ich.
    »Wenn Sie noch etwas Zeit zum Auswählen brauchen, komme ich später wieder«, sagte der Kellner.
    »Nein«, antwortete Luke und ließ eine gewaltige Be-
    Stellung vom Stapel. Ich fügte die meine hinzu. Dann: »Weil du ein Gewohnheitstier bist.«
    »Gewohnheit?« entgegnete ich. »Ich komme nur noch sehr selten hierher zum Essen.«
    »Ich weiß«, sagte er, »aber meistens geschieht das, wenn du irgendwie unter Druck stehst. Zum Beispiel vor Prüfungen - oder wenn dir etwas Sorgen machte.«
    »Hm«, brummte ich. Vielleicht war an seinen Worten etwas Wahres dran, obwohl es mir bisher noch nie aufgefallen war. Ich ließ den Aschenbecher auf dem Tisch um sich selbst kreisen; er war mit dem Kopf eines Einhorns bedruckt, einer kleineren Version desjenigen aus buntem' Glas, das als Teil des Raumteilers neben dem Eingang stand. »Ich kann nicht sagen, warum ich ausgerechnet hierher gegangen bin«, bemerkte ich schließlich. »Übrigens, was bringt dich auf die Idee, etwas könnte mir Sorgen machen?«
    »Ich habe mich an diesen komischen Verfolgungswahn erinnert, den du in bezug auf den 30. April hast, wegen ein paar Vorfällen.«
    »Es sind mehr als ein paar. Ich habe dir nicht von allen erzählt.«
    »Also glaubst du immer noch daran?«
    »Ja.«
    Er zuckte mit den Schultern. Der Kellner kam vorbei und füllte unsere Kaffeetassen.
    »Also gut«, stimmte er schließlich zu. »Hast du es heute schon gehabt?«
    »Nein.«
    »Zu dumm. Ich hoffe, das verdirbt dir nicht den Spaß am Grübeln.«
    Ich nahm einen Schluck Kaffee.
    »Kein Problem«, ließ ich ihn wissen.
    »Gut.« Er seufzte und reckte sich. »Hör zu, ich bin erst gestern in die Stadt zurückgekommen...«
    »Hattest du eine angenehme Reise?«
    »Hab 'nen neuen Verkaufsrekord aufgestellt.«
    »Toll.«
    »Wie auch immer... als ich mich zurückmeldete, habe ich erfahren, daß du gekündigt hast.«
    »Ja, ich bin seit etwa einem Monat nicht mehr dabei.«
    »Miller versucht die ganze Zeit, dich zu erreichen. Aber weil dein Telefon außer Betrieb ist, konnte er dich nicht anrufen. Er ist sogar ein paarmal bei dir vorbeigefahren, aber du warst nicht zu Hause.«
    »Pech.«
    »Er möchte dich wieder einstellen.«
    »Ich habe mit denen nichts mehr am Hut.«
    »Warte, bis du die näheren Umstände erfährst, ja? Brady ist die Treppe
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