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Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Titel: Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel
Autoren: Langen Müller
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Clark Gable. Ein durchsichtiges Kleid oder ein gerissener Büstenhalter reichten mitnichten. Von Theaterstars war nie die Rede. Gustaf Gründgens hätte sich derlei Unsinn verbeten. Auch Max Reinhardt oder später Billy Wilder galten nicht als Star-Regisseure, obgleich sie es bestimmt waren. Kinder, die früher ihr Brot beim Film verdienten, waren arme Würmer, keine Kinderstars.
    Juristen wurden nicht als Star-Anwälte gefeiert. Ärzte begnügten sich mit dem Titel Doktor, im Bestfall Professor. Sogar der berühmte Sauerbruch war kein Star-Chirurg. Star-Friseur ist eine Wortschöpfung unserer Zeit. Einst schnitten Friseure Haare und legten Locken, ohne dass die Gesellschaft sie deshalb feierte.
    Köche rührten ohne Titel und vor allem, ohne dass Fernsehkameras dabei waren, in ihren Töpfen. Von Star-Politikern ist gleichfalls nichts bekannt, auch wenn sie Bismarck hießen. Oder Churchill. Mars und Venus strahlten seit Ewigkeiten am Himmel, aber zum Status Star-Planet haben sie es nicht gebracht.
    Doch denke keiner, dass der Mensch ohne Schweiß ein Star wird. Derzeit baden mal wieder einige der Gattung in stinkenden Fischresten und essen lebende Würmer. Siehe die Ekel erregende Fernsehsendung Ich bin ein Star, holt mich hier raus. Es gibt auch einen Star-Hund. Barack Obama (Star-Präsident im Land der Sterne und Streifen) hat für seine Töchter und zum Vergnügen aller Hundefreunde First Dog Bo ins Weiße Haus geholt.

Nur nicht über den eigenen Tellerrand schauen …
    Aus dem schönen Buch Mit Goethe reisen , zusammengestellt von Arnd Rühle, erfuhr ich, dass der berühmteste Frankfurter zu seinen Lebzeiten (1749–1832) 40 000 Kilometer zurückgelegt hat. Das ist exakt einmal um die Erde.
    Als ich diese Leistung in größerer Runde bestaunte, fügte ich hinzu, damals wäre halt Verlass auf die Deutsche Bahn gewesen. Es lachte ein jeder, nur nicht die zwei jungen Leute von der Generation Cool. Die interessiert sich ja nicht für das Leben jenseits ihres Kleinhorizonts und schon gar nicht für die Welt, wie sie einmal war.
    Dass zur Goethezeit die Lokomotiven erst anfingen, das Dampfen zu lernen, bedeutet der PC-Jugend ebenso wenig wie das Trojanische Pferd oder das Ross, auf dem Alexander der Große in die Schlacht ritt. Die meisten jungen Leute finden die Welt von gestern so öde wie ein Stück Kreide. Da kann sich Urgroßmütterlein die Zunge trocken reden, sie wird ihre Enkel nicht mit Geschichten von Spinnrad, Webrahmen und Nähmaschine aus ihrer Lethargie wachrütteln. Und auch der Zehn-Kilometer-Schulweg, den Uropa früher barfuß zurücklegte und nur mit einem Brotkanten als Tagesverpflegung, interessiert die smarten Jungen von heute nicht. Diejenigen, die in sind, lassen uns das jeder Zeit wissen.
    Wenn sich die Jugend mit fremden Welten beschäftigt, dann ist es nicht eine, in der Männer Torf stechen und Frauen sich nach Falläpfeln bücken. Gereifte und ergraute Menschen müssen sich an den Umstand gewöhnen, dass die junge Generation es nicht mit der realen Vergangenheit hält, sondern mit der Zukunft aus der Maschine. Die steht 24 Stunden am Tag offen. Knopfdruck genügt, und schon hat man den ganzen virtuellen Salat im Visier. Und einen leeren Kopf.
    Ist das nun gut oder schlecht, beneidenswert oder bemitleidenswert, Segen oder Fluch? Jeder kann da nur aus eigener Erfahrung mitreden. Wochen, nein, Monate habe ich damit verbracht, meinem Hund das Sprechen beizubringen, mich in das Leben der Steinzeitmenschen einzufühlen, indem ich versuchte, die Löcher in meinen Strümpfen mit einem Dorn zu stopfen und ein Maisfeld mit zwei Feuersteinen anzuzünden.
    Dass nichts von alledem gelang, reicht mir als Erklärung, weshalb meine Generation zu Frust und Selbstzweifel neigt. Den heutigen Jungen bleiben solche entmutigenden Erfahrungen freilich erspart. Sie verplempern ja ihre Zeit nicht mit dem Blick über den eigenen Tellerrand.

Ein Klecks Marmelade ist zu wenig
    Es sind nicht immer die weltpolitischen Entscheidungen, die augenfällig machen, dass die Welt ständig in Bewegung ist. Auch klitzekleine Nebensächlichkeiten zeigen uns, wie sehr sich die Zeit verändert. Selbst ein Kreppel ist nicht mehr das, was er war. Einst pflegte er zwischen Aschermittwoch und Silvester von der Bildfläche zu verschwinden. Heute gibt es ihn das ganze Jahr. Wahrscheinlich braucht er solche Dauerpräsenz für sein Selbstwertgefühl.
    In Frankfurt nennt man Kreppel neuerdings auch Kräppel. Das macht die
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