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Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Titel: Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel
Autoren: Langen Müller
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mit Kälte programmiert. Vor allem in den meist sehr gut gewärmten Ecken unserer Heimat – nehmen wir das Rhein-Main-Gebiet – stöhnt der Mensch und jammert zum Erbarmen. Der Winter entspricht nur in Ausnahmefällen den romantischen Vorstellungen von rotbäckigen Glühweintrinkern in gemütlichen Wirtshausstuben. In der Stadt freuen sich noch nicht einmal Hunde an frischer Luft und dickem Fell. Missvergnügt kriechen sie auf mit Salz bestreuten Bürgersteigen hinter fröstelnden Bezugspersonen her und lassen wissen, dass selbst feine Möpse und schlaue Pinscher nicht davor gefeit sind, auf den Hund zu kommen.
    Seitdem wir nicht mehr auf der Ofenbank sitzen, und seitdem wir Tütensuppen mit Knuspercroutons löffeln statt Omis Linsensuppe, sind uns in Sachen Winter die Augen aufgegangen. Verschneite Wälder, Bergkuppen mit Hauben aus Glitzerschnee und beleibte Schneemänner überzeugen besser auf Kalendern und in Reiseprospekten als in Wirklichkeit. Winter in der Stadt und auf der Straße bedeutet Autofahrer im Stau, Vokabeln wie Eisregen und Glatteis, erschöpfte Batterien und zugefrorenes Gemüt. Und vergessen wollen wir nicht die Radiosprecher, die den Schneid haben zu sagen: Wir wünschen Ihnen eine gute Fahrt.

Immer wird nur der beschenkt, der schon hat
    Wir haben uns alle untereinander mit artigen Kleinigkeiten und artigen Versen beschenkt. Diese inspirierende Idee stammt von Caroline Schlegel, 1763 geboren, nur 46 Jahre alt geworden, einer der originellsten und klügsten Frauen ihrer Zeit. Sie hat mehr erlebt, als den meisten Leuten einfällt.
    Von hübschen Kleinigkeiten, die den Gabenbringer als einen liebenswerten Menschen auszeichnen, der genau weiß, worauf es beim Schenken ankommt, träumen viele. Allerdings geistern solche Träume ausschließlich durch die Köpfe von Menschen, die im Wohlstand leben. Die sorgen sich ebenso um den Prosecco für ihre Gäste wie um das Befinden der Welt. Echte Menschenfreunde sind leicht auszumachen. Auch wenn sie der Magen nach der Weihnachtsgans drückt, vergessen sie nicht, nach Brot für die Welt zu rufen. Ob sie wirklich mopsfroh mit Kleinigkeiten sind? Glauben sie wenigstens im Glanz des Lichterbaums, dass der Mensch edel und gut und der beste Teil der Schöpfung ist? Schließlich kommt keiner von uns an der Erkenntnis vorbei, dass auf Gerechtigkeit nicht mehr Verlass ist als auf die Bundesbahn im Schnee. Selbst Kinder wittern beizeiten, dass immer nur dem geschenkt wird, der schon hat. Nur im Märchen werden aus bettelarmen, elenden Geschöpfen, die sich noch nicht einmal den klitzekleinsten Traum leisten können und die jeden Herrschaftshund jammern, jubelnde Glückskinder mit warmen Füßen und Sternen auf der Weste. Und Goldesel haben sie, die nie an Verstopfung leiden.
    Schade, dass es so schwer geworden ist, die Freude an den kleinen Dingen zu erhalten. Wer will schon, wie es der Dichter Ringelnatz vorschlug, eine Kachel aus dem Ofen der Liebsten? Wer freut sich noch über Apfel, Nuss und Mandelkern? Früher lagen sie auf jedem bunten Teller und wurden in rührenden Gedichten besungen. Heute werden sie als Blombenzieher und Dickmacher verschmäht. Nur ganz wohlerzogene Kinder legen ihren Technokram aus der Hand, wenn Tantchen oder ein besserwisserischer Opi den Schneid haben, mit einem Malbuch anzurücken. Oder – schlimmer noch! – mit einem Schal. Das Dilemma ist uralt. Lange trug ich meiner Mutter nach, dass sie mir warme Unterwäsche statt den Lippenstift schenkte, den ich so dringend brauchte, um am deutschen Fräuleinwunder teilzunehmen. Heute sehe ich durchaus ein, dass rote Lippen einer blau gefrorenen Frau einen feuchten Kehricht nützen. So ist das mit den Geschenken. Für manche braucht es Ewigkeiten, ehe man sie schätzen lernt.

Schenken ist ein Wort mit Stacheln
    Wenn jeder von uns nur ein Lächeln verschenken würde und dazu ein Quäntchen seiner Zeit, wäre es bestimmt so gut um Mensch und Maus bestellt wie früher im Paradies. Da fraß kein Löwe ein Reh, keine Katze einen Vogel, und Eva nörgelte nicht mit Adam, weil er beim Abwaschen immer Fettränder in den Töpfen ließ. Friede auf Erden war kein leerer Wahn.
    Friedfertigkeit und Frohsinn sind leider außer Mode. Wer sich selbst ernst nimmt, den lächelt nur die Mona Lisa an. Mit unserer Zeit geizen wir, als wäre sie aus Gold. Und wer weiß, ob Herzen noch auf die Dauer verschenkt werden. Das Wort Schenken ist im deutschen Sprachgebrauch ohnehin mit Dornen gespickt. Geschenkt sagen
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