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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab
Autoren: Harry Kemelman
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Augenblick, Mr. Chairman, da ist noch ein Antrag auf Wortmeldung.»
    «Was für ein Antrag?»
    «Es gibt keinen Antrag auf Wortmeldung. Wir haben nur diskutiert, die Sache sozusagen durchgekaut.»
    Raymond schlug mit dem Hammer auf den Tisch. «Einen Moment bitte, immer der Reihe nach. Niemand hat einen Antrag gestellt, also besteht kein Grund, warum Stan das nicht tun sollte. Schieß los, Stan.»
    «Ich beantrage, Mr. Chairman, dass Sie eine Kommission benennen, die zum Rabbi geht, ihn sozusagen abtastet und den Preis aushandelt …»
    «Bist du sicher, dass du vom Rabbi sprichst, Stan?»
    Der Chairman klopfte auf den Tisch. «Keine Witze, bitte.»
    «Also gut, ernsthaft gesagt, möchte ich Stans Antrag dahingehend ergänzen, dass diese Kommission aus einem Mann bestehen sollte», erklärte Goodman. «Ich schlage Marty Drexler für diese Aufgabe vor.»
    «Sehr richtig, soll nur einer mit ihm verhandeln.»
    «Wie steht’s? Seid ihr alle dafür, einen Mann die Verhandlung führen zu lassen?»
    «Unbedingt.»
    «Die einzige Möglichkeit.»
    «Die einzig faire Art – einer gegen einen.»
    «Na schön», sagte Bert Raymond. «Stimmen wir ab. Also – ja. Aber ich meine, vielleicht sollte ich lieber mit ihm reden statt Marty.»
    «Nein, lass Marty das tun.»
    «Wieso Marty? Mir scheint, als Gemeindevorsteher sollte ich mit ihm sprechen.»
    Keiner von ihnen wollte eingestehen, dass sie befürchteten, er könnte zu großzügig sein. Schließlich übernahm Paul Goodman die Erklärung: «In erster Linie habe ich Marty vorgeschlagen, weil er der Schatzmeister ist und es sich hier eindeutig um ’ne Geldsache handelt. Außerdem ist Marty im Finanzierungsgeschäft und genau im Bilde über Fragen, die mit steigenden Lebenshaltungskosten und diesen Dingen zu tun haben. Aber wenn nicht Marty, dann wärst du wohl der Letzte, den wir dafür haben möchten, gerade weil du Chairman bist. Marty oder wer auch sonst kann immer sagen, er muss sich vom Vorstand weitere Anweisungen holen oder er braucht dessen Zustimmung zu der getroffenen Abmachung. Aber Vorschläge, die der Chairman selber gemacht hat, müssten wir doch wohl oder übel unterstützen, jedenfalls wäre das sicher die allgemeine Ansicht. Und gesetzt den Fall, du versprichst was und bekommst dann von uns keine Rückendeckung, wärst du schön in der Bredouille, wenn du zum Rabbi zurückgehen und ihm sagen müsstest, dein Vorstand passt.»
    «Na schön, von mir aus», sagte Raymond. «Also gehst du zum Rabbi, Marty, und handelst was aus.»

3
    Miriam öffnete die Tür und führte Marty Drexler ins Wohnzimmer, wo der Rabbi saß. «Da es sich um eine Angelegenheit des Tempels handelt, Mr. Drexler, lasse ich Sie beide …»
    «Nun, vielleicht wäre es besser, wenn Sie dabei sind, Mrs. Small», meinte Marty. «Wenn sich’s bei mir im Geschäft um Belange der Familie dreht, zum Beispiel um ein Familiendarlehen, sage ich dem Kunden immer, er soll seine Frau mitbringen. Sie verstehen mich doch?»
    «Natürlich, Mr. Drexler, wenn Ihnen das lieber ist.»
    Der Rabbi war aufgestanden, wies mit einer einladenden Geste auf einen Sessel für den Besucher und setzte sich dann wieder. «Es hat also etwas mit unseren Familienfinanzen zu tun, Mr. Drexler?»
    Marty Drexler lächelte, das strahlende Lächeln des Darlehenvermittlers. «Allerdings, das würde ich schon sagen. Wir haben im Vorstand beschlossen, Ihnen einen Vertrag zu geben. Bert Raymond hat mich als Ein-Mann-Kommission benannt, damit ich die kleinen Detailfragen und Finessen mit Ihnen bespreche.»
    «Das ist sehr freundlich vom Vorstand», entgegnete der Rabbi liebenswürdig. Er lehnte sich im Sessel zurück und blickte zur Decke. «Ich hatte zwar bisher einen Vertrag für eine Vereinbarung zwischen zwei gleichberechtigten Parteien angesehen – jede hat etwas, was die andere haben möchte – und nicht für eine Gefälligkeit, die eine Partei der anderen erweist.»
    Drexler war entschlossen, sich nicht zu ärgern. Er nickte. «Ja, damit haben Sie vermutlich Recht. Ich wollte sagen, ich bin hier, um den Vertrag auszuhandeln.»
    «Und warum gerade jetzt?», fragte der Rabbi.
    Drexler sah ihn vorwurfsvoll an. «Rabbi, wir sind doch erwachsene Männer und keine Kinder. Wir haben’s kapiert. Sie schicken uns einen Brief und bitten um Beurlaubung. Ist doch klar, dass Sie wegen des Vertrages angebohrt haben. Schließlich sind wir alle Geschäftsleute. Gut, vielleicht haben wir die Sache zu sehr auf die lange Bank geschoben. Vielleicht
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