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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab
Autoren: Harry Kemelman
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dem Vertrag zu besprechen, und wie Leid es uns tut und lauter so ’n Schmus. Und das soll uns in die Defensive bringen, versteht ihr? Die reinen Schmonzes, sag ich euch.»
    «Und was ist, wenn wir ablehnen?», fragte Arnold Bookspan. «Als du mir den Brief gezeigt hast, Bert, hab ich sofort gesagt, das ist ein Ultimatum. Er bittet uns nicht, er teilt es uns mit. Wenn er nun ein redlicher Angestellter des Tempels ist, kann er nicht einfach so mir nichts, dir nichts abhauen. Und geht er einfach so fort, dann ist er in meinen Augen eben kein redlicher Angestellter des Tempels.»
    «Nun hört mal zu, Leute», sagte der Chairman. «Man muss fair sein. Sie arbeiten immer mit einem Vertrag, und wir haben seinen auslaufen lassen.»
    «Wir sollten hier logisch vorgehen», mischte sich Paul Goodman ein, der wie Bert Raymond Rechtsanwalt war und einen methodischen Verstand hatte. «Zuerst müssten wir entscheiden, ob wir überhaupt einen Rabbi brauchen, dann …»
    «Was soll das heißen, ob wir überhaupt einen Rabbi brauchen? Wie sollen wir denn ohne Rabbi zurechtkommen?»
    «Viele Gemeinden haben keinen», antwortete Goodman. «Ich meine, keinen fest angestellten. Sie kriegen jeden Freitagabend einen jungen Spund vom Seminar und zahlen ihm vielleicht fünfzig oder hundert Dollar und Spesen.»
    «Freilich, und weißt du, was du dafür kriegst? Einen jungen Spund kriegst du.»
    «Nicht einfach einen jungen Spund», widersprach Goodman, «einen jungen Spund, der Rabbi ist.»
    «Pah, ich hab ein paar von diesen Knaben vom Seminar gesehen. Eine Horde von Hippies, wenn du mich fragst.»
    «Hört mal zu, Leute», wandte Bert Raymond ein, «das können wir doch nicht machen. Wir haben das ganze Jahr über Leute, die den Tempel für ihre Trauungen und Bar Mizwas benutzen. Was sollen wir denen erzählen, wenn sie kommen und Einzelheiten vereinbaren wollen? Vielleicht haben wir einen Rabbi, vielleicht aber auch nicht? Bei uns läuft der Betrieb das ganze Jahr über, und deshalb müssen wir einen Rabbi haben, der ständig zur Verfügung steht.»
    «Na schön, dann kommen wir also zum nächsten Schritt», sagte der methodische Goodman. «Wollen wir diesen Rabbi haben? Wenn’s denn unbedingt so ein Rabulist sein muss, der mir sagt, was Recht und was Unrecht ist, dann wäre mir persönlich ein älterer Mann lieber. Das ist bei mir ’ne Gefühlssache.»
    «Also für mich ist das eine rein geschäftliche Sache. Und ich halte Gefühl und Geschäft strikt auseinander», sagte Marty Drexler, der Schatzmeister. «Als mir Bert von dem Brief erzählt hat, hab ich mich ein bisschen umgehört. Ich kann euch ein paar harte Fakten zum Nachdenken geben. Der Preis für Rabbis ist seit dem Zweiten Weltkrieg Jahr für Jahr gestiegen. Jeder Studentenjahrgang hat nach Abschluss des Seminars ein höheres Anfangsgehalt verlangen können als der vorige. Wenn ihr auf dem freien Markt einen Rabbi engagieren wollt, der wie unserer fünf oder sechs Jahre Berufserfahrung hat, müsst ihr drei- bis fünftausend Dollar mehr hinblättern als jetzt. Denn bei ihm handelt es sich um jemand, der bereits einen Posten hat und dem wir den Wechsel schmackhaft machen müssen. Wenn ihr einen Rabbi engagiert, kauft ihr geistige Führung. Ich frage euch, warum sollen wir die Kosten für unsere geistige Führung um dreitausend Dollar erhöhen, wenn wir’s gar nicht nötig haben?»
    «Das leuchtet mir ein.»
    «Mir auch.»
    Der Chairman sah einen nach dem anderen an. «Na schön, ich glaube, in dem Punkt herrscht Einstimmigkeit. Wir sind uns also alle weitgehend darin einig, dass es im Augenblick für uns das Beste ist, die Dienste unseres jetzigen Rabbi auch weiterhin in Anspruch zu nehmen. Und damit wären wir wieder beim Anfang. Was tun wir mit dem Brief? Ich bin der Auffassung, dass Stan Agranat Recht hat und dass der Rabbi an einem Vertrag interessiert ist. Wie steht’s damit? Seid ihr alle auch der Meinung?» Wieder ließ er den Blick um den Tisch wandern und wartete bei jedem ein bestätigendes Nicken ab.
    Nur Ben Gorfinkle erhob Einwände. «Ich habe den Eindruck, der Rabbi meint gewöhnlich auch das, was er sagt.»
    Bert Raymond zuckte die Achseln. «Vielleicht als er ihn schrieb. Vielleicht war er ein bisschen eingeschnappt. Ehrlich gesagt, fand ich, er hat ziemlich sauer reagiert, als ich ihm mitteilte, dass wir keinen Gemeinde- Seder abhalten. Kann sein, dass es damit etwas zu tun hatte. Aber ich bin der Meinung, wenn wir ihm einen Vertrag anbieten, wird er ganz
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