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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab
Autoren: Harry Kemelman
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schnell feststellen, dass er eigentlich gar nicht beurlaubt werden möchte. Es wäre ja durchaus denkbar, dass er den Urlaub zur Stellungssuche haben will.»
    «Da hast du Recht, Bert.»
    «Na schön, also was für einen Vertrag bieten wir ihm an?»
    Ben Gorfinkle, Chairman des Vorjahres, fühlte sich genötigt, abermals das Wort zu ergreifen. Er nahm nur an der Sitzung teil, weil sämtliche ehemaligen Chairmen nach den Statuten automatisch Vorstandsmitglieder wurden. Seine Vorgänger, Wasserman, Becker und Schwarz, waren nur zu den ersten paar Sitzungen erschienen und dann ausgeblieben. Dieser neue Vorstand bestand aus lauter jungen Männern; keiner war über fünfunddreißig, und alle waren eng befreundet. Sie besprachen die einschlägigen Angelegenheiten bei ihren gesellschaftlichen Zusammenkünften, sodass sich Vorstandssitzungen praktisch erübrigten, außer dass formal über das abgestimmt wurde, was sie bereits untereinander beschlossen hatten. Trotzdem ging Ben Gorfinkle weiter unbeirrt hin, auch wenn er meist den Mund nicht aufmachte. Diese Geschichte aber war wichtig. Langsam, bedächtig setzte er dem Vorstand auseinander, dass der Rabbi mit Ablauf des letzten Jahres auch sein sechstes Dienstjahr in der Gemeinde beendet hatte. Der vorige Vorstand habe geplant, ihm einen Vertrag auf Lebenszeit sowie im siebten Jahr das so genannte Sabbatjahr anzubieten. «Aber wir meinten, ein solcher Vertrag sollte besser von dem neuen Vorstand abgeschlossen werden.»
    «Ich erinnere mich nicht, in den Sitzungsprotokollen vom letzten Jahr etwas davon gelesen zu haben», sagte der Schriftführer.
    «Stimmt, ich erinnere mich auch an nichts Derartiges», bestätigte Raymond.
    «Natürlich nicht», entgegnete Gorfinkle. «Damals nahm der Rabbi an den Vorstandssitzungen teil. Deshalb konnten wir bei den regulären Sitzungen nicht gut darüber sprechen.»
    «In dem Fall», unterbrach ihn der Chairman, «müssen wir davon ausgehen, dass diese Angelegenheit lediglich inoffiziell zwischen einigen Mitgliedern erörtert wurde. Ich bin nicht der Auffassung, dass wir daran gebunden sind.»
    «Ich habe euch nur über die Vorgeschichte informiert», erklärte Gorfinkle steif.
    «Na schön, also angenommen, wir gehen davon aus», sagte der Chairman. «Was haltet ihr von Bens Idee eines Vertrags auf Lebenszeit und eines Sabbatjahres?»
    «Ich kann dazu nur eins sagen – mir sieht das nach einem ganz hübschen Rebbach für den Rabbi aus», meinte Agranat. «Glaubt mir, ich hab nichts gegen den Rabbi, aber er macht dabei ’nen guten Schnitt.»
    «Irrtum», widersprach Gorfinkle. «Das ist gang und gäbe. Der Rabbi hatte ein Probejahr, und danach bekam er einen Fünfjahresvertrag. Der nächste Vertrag läuft gewöhnlich noch länger, in den meisten Gemeinden sogar auf Lebenszeit.»
    «Wie wird das Gehalt bei diesen Verträgen festgesetzt?», erkundigte sich Marty Drexler. «Gibt’s da jährliche Erhöhungen oder …»
    «Das nehme ich an», erwiderte Gorfinkle. «Oder man vereinbart eine Angleichung an die steigenden Lebenshaltungskosten. Damit haben wir uns seinerzeit nicht befasst.»
    «Mir scheint, das müssen wir uns noch genau überlegen», meinte Drexler. «Wenn wir ihm ein Sabbatjahr geben, müssen wir während seiner Abwesenheit einen Stellvertreter engagieren. Denkt mal darüber nach.»
    «Worauf willst du hinaus, Marty?», fragte Bert Raymond.
    «Ich werd euch sagen, worauf ich hinauswill. Hier geht’s um eine Synagoge, und er ist ein Rabbi. Also Religion und all das. Aber ein Vertrag ist ’ne geschäftliche Vereinbarung, egal, zwischen wem. Da muss alles ausgetüftelt werden, und jede Seite muss dabei das bestmögliche Geschäft machen. Nehmt zum Beispiel mal das, was ich vorhin über die von Jahr zu Jahr steigenden Kosten für Rabbis gesagt habe. Das stimmt, aber ihr müsst bedenken, wenn ein Rabbi erst mal um die Fünfzig ist, sind seine Aussichten, einen anderen Job zu kriegen, nicht mehr so gut. Er ist sozusagen auf dem absteigenden Ast. Also ist er dann in einer etwas schwächeren Position, und wir sind dafür in einer etwas stärkeren. Wie alt ist er jetzt? Fünfunddreißig oder so was? Nehmen wir nun mal an, wir bieten ihm einen Fünfzehnjahresvertrag, und wenn der ausläuft, verhandeln wir erneut.»
    «Na, ich weiß nicht …»
    «Das ist doch irgendwie schofel.»
    «Was ist daran schofel?», fragte Drexler.
    Stanley Agranat hob die Hand. «Ich möchte einen Antrag stellen.»
    «Was für einen Antrag?»
    «Einen
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