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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Autoren: Gerhard Roth
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Vorwort
     
     
    Mit zwei Fragen des Alltags beschäftigen sich die Menschen, seit sie begonnen haben, über sich selbst, ihr Handeln und das ihrer Mitmenschen nachzudenken, nämlich erstens: »Wie soll ich mich entscheiden? Soll ich eher meinem Verstand oder eher meinen Gefühlen folgen?« und zweitens: »Wie schaffe ich es, Menschen so zu verändern, dass sie das tun, was ich von ihnen will? Und wie schaffe ich es, mich selbst zu ändern?«
    Für die Mehrheit von uns war und ist die Antwort auf die erste Frage ganz einfach: »Gehe rational vor, wäge also Vor- und Nachteile gut ab und entscheide dann! Lass dich dabei nicht von Gefühlen hinreißen, das ist schädlich!« Dass dies nicht immer funktioniert, weiß jeder von uns, aber das heißt natürlich noch lange nicht, dass wir nicht so verfahren sollten . Eine Minderheit jedoch sagt seit jeher: »Es gibt eine höhere Vernunft als Verstand und Intellekt, nämlich die des Herzens«. Oder platter und mit einem anderen Akzent ausgedrückt: »Hör auf deinen Bauch, nicht auf deinen Verstand!« Wir wissen aber alle aus leidvoller Erfahrung, dass beides nicht so recht funktioniert, d. h. weder der kalte Verstand noch das drängende Gefühl für sich allein sind gute Ratgeber. Aber wie sollen wir vorgehen? Was ist das beste Rezept für Entscheidungen?
    Bei der zweiten Frage sieht es ähnlich kompliziert aus: Auch hier ging und geht die Mehrheit davon aus, dass bei dem Versuch, das Verhalten von Mitmenschen zu ändern – sei es in der Familie, in der Schule, im Betrieb oder gar in der Gesellschaft –, die beste Strategie lautet: »Formuliere deine Argumente klar und begründe sie gut, und niemand wird sich diesen Argumenten widersetzen!« Das wird zwar immer propagiert, gelingt aber leider selten. Die krassen Alternativen sind Drohung und Strafe. Das war lange Zeit verpönt, wird aber inzwischen wieder häufiger propagiert. Diese Alternativen sind genauso selten von Erfolg gekrönt wie der Appell an die Einsicht. Die Menschen tun meist das, was sie wollen, aber manchmal tun sie etwas, das sie gar nicht bewusst gewollt haben. Jedenfalls tun sie häufig nicht das, was wir von ihnen wollen. Natürlich bezieht sich das nicht auf Dinge des Alltags wie »Könntest du mir bitte den Zucker herüberreichen?«, die vom anderen wenig Aufwand erfordern. Sobald es sich aber um längerfristige Veränderungen der Lebensführung oder von eingeübten und eingeschliffenen Verhaltensmustern handelt, wird es sehr schwierig.
    Es ist also schwer, andere zu ändern, am schwersten ist es aber, sich selbst zu ändern. Zwar haben viele von uns die Illusion, das ginge, wenn man nur richtig wolle, aber meist will man offenbar nicht »richtig«. Aber auch wenn man unter bestimmten eigenen Verhaltensweisen leidet oder deswegen von anderen kritisiert wird, so dass man beschließt sich zu ändern, geht es meist nicht. Das ist nicht nur beim heroischen (und statistisch gesehen ziemlich aussichtslosen) Entschluss der Fall, endlich das Rauchen aufzugeben, sondern eben auch bei den Gewohnheiten, die zu unserer ganz speziellen Persönlichkeit gehören, z. B. (zu) spät morgens aufzustehen, nicht rechtzeitig an das Einkaufen, das Mülleimer-Herausstellen oder den Geburtstag der Ehefrau zu denken, Dinge stets »auf den letzten Drücker« zu erledigen, Leute nicht ausreden zu lassen usw.
     
    Warum ist das alles so? Wenn es darauf eine gute Antwort gibt, so ist sie kompliziert und nicht allgemein bekannt. Und so macht man in der Familie, in der Schule, im Betrieb und in der Gesellschaft mit altbewährten Rezepten weiter, auch wenn sie wenig erfolgreich sind. Dramatisch werden die Probleme natürlich, wenn es um schwerwiegende Dinge geht. Man stellt fest, dass eine führende Persönlichkeit des öffentlichen Lebens eine krasse Fehlentscheidung getroffen hat, unter der viele Leute zu leiden haben (zum Beispiel einen Krieg gegen ein anderes Land anzufangen), und dann fragt man »Wie konnte dieser Mensch nur eine solche Entscheidung treffen?« Ähnlich schwerwiegend ist es bei psychischen Erkrankungen oder Drogenabhängigkeit: Wie kann man es sich erklären, dass es Menschen gibt, die sich alle paar Minuten die Hände waschen müssen oder unflätige Beschimpfungen ausstoßen, obwohl sie das gar nicht wollen bzw. sich mit aller Willenskraft dagegen wehren? Und wie kann man erklären, dass jemand, der schon mehrere Male wegen schwerer Körperverletzung verurteilt wurde, eine solche Straftat erneut
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