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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Autoren: Gerhard Roth
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»Durchstehvermögen« zeigt, die überkontrollierte Person und die unterkontrollierte Person. Nach Asendorpf (2004) weist die resiliente Person eine charakteristische Mischung folgender Eigenschaften auf: aufmerksam, tüchtig, geschickt, selbstvertrauend, voll bei der Sache und neugierig; sie kann aber auch deutliche Stimmungswechsel haben, zeigt auch unreifes Verhalten unter Stress, verliert leicht die Kontrolle, ist schnell eingeschnappt und fängt leicht zu weinen an. Diese Person hat wenige Merkmale von Neurotizismus und gewisse Merkmale von Extraversion und Offenheit. Die überkontrollierte Person ist (eine unterschiedliche Mischung von) verträglich, rücksichtsvoll, hilfsbereit, gehorsam, gefügig, verständig-vernünftig, hat Selbstvertrauen, ist selbstsicher, kennt keine Grenzen, ist aggressiv, ärgert andere. Diese Person zeigt deutliche Anteile von Neurotizismus, wenige Anteile von Offenheit und Extraversion. Die unterkontrollierte Person schließlich ist (in unterschiedlichem Maße) lebhaft, zappelig, hält sich nicht an Grenzen, hat negative Gefühle, schiebt die Schuld auf andere, ist furchtsam-ängstlich, gibt nach bei Konflikten, stellt hohe Ansprüche an sich, ist gehemmt und neigt zum Grübeln. Diese Person zeigt wenig Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit und viel Neurotizismus. Wir sehen, dass es bei den big five und auch den drei Grundpersönlichkeiten durchaus gewisse Überlappungen gibt. Jeder Mensch ist anders als die anderen und teilt gleichzeitig ähnliche Eigenschaften mit ihnen – so lautet die triviale Wahrheit.
    Interessant ist, dass Hans Eysenck in den sechziger Jahren das Gegensatzpaar Extraversion–Introversion vs. Neurotizismus neurophysiologisch zu begründen versuchte. Die Polarität Extraversion–Introversion sah er als unterschiedliche Aktivierung des Gehirns durch das aufsteigende retikuläre aktivierende System an, während Unterschiede im Merkmal Neurotizismus für ihn auf Unterschiede in der »limbischen Aktivierung« zurückzuführen waren (vgl. nächstes Kapitel). Aus heutiger Sicht (vierzig Jahre später!) ist ein solcher Ansatz ungenügend, aber sicher nicht ganz falsch.
    Zusammenfassend können wir feststellen, dass aus persönlichkeitspsychologischer Sicht Menschen sich in ungefähr fünf grundlegenden Persönlichkeitsmerkmalen mit typischen sekundären Merkmalen unterscheiden – eben den big five, und dass man hiermit etwa drei Grundpersönlichkeitstypen feststellen kann. Diese Kategorisierungen sind rein quantitativ-statistisch gewonnen, und ihre (neuro-) biologische Fundierung ist erst einmal eine offene Frage. Diese Frage wird uns noch ausführlich beschäftigen.

Temperament
     
    Alle Eltern mit mehr als einem Kind (zu diesen Eltern gehöre auch ich) wissen, dass ihre Kinder mit sehr verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen auf die Welt kommen und dass diese Unterschiede bei allem Wandel der Persönlichkeit weitgehend bestehen bleiben. Das eine Kind ist relativ ruhig, das andere eher »quengelig« oder gar ein »Schreibaby«, das den Eltern den letzten Nerv raubt; das eine Kind ist offen, freundlich, das andere eher verschlossen, schwer zugänglich usw., und dies ändert sich auch nicht wesentlich, soweit man das alltagspsychologisch beurteilen kann.
    Viele Psychologen sind deshalb der Meinung, dass diese als Temperament bezeichneten Grundeigenschaften in erheblichem Maße genetisch bedingt sind und nur zu einem kleineren Teil durch Umwelteinflüsse gebildet werden. Aus biologischer Sicht muss man allerdings hier von »angeborenen« Merkmalen im Sinne von »bei der Geburt bereits vorhanden« sprechen, denn – wie noch darzustellen sein wird – es gibt in vielen Bereichen deutliche Umwelteinflüsse bereits vor der Geburt. »Angeborene«, d. h. bei Geburt bereits vorhandene Merkmale müssen also nicht rein genetisch sein, und viele genetisch bedingte Merkmale sind bei der Geburt noch gar nicht sichtbar, z. B. solche, die die Sprache oder das jugendliche und erwachsene Sexualleben betreffen.
    Temperamentforscher wie Thomas und Chess (1980), die große Längsschnittuntersuchungen durchgeführt haben, siedeln das Temperament ähnlich wie Eysenck nahe an den physiologischen, affektiven und kognitiven Grundfunktionen des Gehirns an. Danach wird das Temperament eines Menschen bestimmt von seinem allgemeinen Aktivitätsniveau, seinen biologischen Rhythmen, dem grundlegenden Annäherungs- oder Rückzugsverhalten gegenüber neuen Reizen, der Anpassungsfähigkeit
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