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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab
Autoren: Harry Kemelman
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ich: Beweise es, beweise es. Ich meine, wenn kein Zauber, nichts Wunderbares dabei ist, sondern nur ganz alltägliche Argumente, dann muss er mich überzeugen. Und das kann er natürlich nicht.»
    «Und Pater Dougherty?»
    «Den sieht man nie anders als in Schwarz und mit Priesterkragen. Das wirkt, als wär er immer in Amtstracht, und wenn er dann vor dem Altar ist, glaubt man ihm. Mike Dougherty ist kein großes Licht, aber das braucht er auch nicht zu sein, denn man spürt, dass jemand durch ihn spricht. Vielleicht steckt eine Menge Hokuspokus in der Religion, Rabbi, aber irgendwie funktioniert’s.»
    «Bei uns ist es ein bisschen anders», sagte der Rabbi. «Der Rabbi ist kein Geistlicher.»
    «Ja, ich weiß, das haben Sie mir erklärt, aber weiß es auch Ihre Gemeinde, oder empfinden sie trotzdem das Bedürfnis nach dem Hokuspokus?»
    «Manche von ihnen schon, schätze ich. Vielleicht sogar alle irgendwann mal.»
    «Na, deshalb war Rabbi Deutch vermutlich so beliebt. Ich hab ihn mal gehört, als er bei einer Versammlung den Vorsitz führte. Irgendwie hat er psalmodiert, falls Sie wissen, was ich damit meine. Sehr eindrucksvoll. Bei uns tragen die Priester eine Uniform, und die Messgewänder sind sozusagen die Galauniform. Ihre Leute fliegen nicht auf so was, deshalb müssen Sie die Wirkung durch Stimme und Auftreten erzielen, denn eine Uniform ist wichtig. Fragen Sie jeden Polizisten.»
    Der Rabbi streifte die blaue Mütze Lanigans, die neben ihm auf dem Boden lag, mit einem Blick und sagte lächelnd: «Der Polizeichef in Jerusalem oder zumindest der Inspector trägt eine von denen.» Er langte an seine Jarmulke.
    «Ach, tatsächlich? Sie meinen, das gehört zu seiner Uniform? Er trägt das auf der Straße?»
    «Nein, er hat eine Mütze wie Sie. Das trägt er nur in seinem Büro …»
    «Sie haben ihn in seinem Büro gesehen? Hatten Sie drüben was mit der Polizei zu tun?»
    Der Rabbi grinste. «Nicht direkt. Es gab einen Sprengstoffanschlag, und ich hatte Kenntnis davon und wurde von der Polizei verhört.»
    «Ein Sprengstoffanschlag! Und Sie wurden von der Polizei ins Kreuzverhör genommen?»
    «Ich vermute, man könnte es so nennen.» Der Rabbi lächelte in der Erinnerung. «Aber es drehte sich hauptsächlich um meine religiösen Anschauungen. Der Inspector zweifelte an meiner Strenggläubigkeit.»
    Der Polizeichef schüttelte verwundert den Kopf. «Ein Polizist bezweifelt Ihre religiöse Orthodoxie! Was ist das für ein Land, in dem ein Polizist einen Rabbi über seine religiösen Anschauungen befragt? Geht das die Polizei was an?»
    «Das gehört auch dazu, aber es ist nicht allgemein gültig. Nur dieser spezielle Polizist.»
    «Sie sagen, es gab einen Bombenanschlag. Also ist es dort doch gefährlich …»
    «O nein.»
    «Der Prälat drüben in Salem führt eine Gruppe nach Irland, Rom und dann ins Heilige Land. Meine Frau liegt mir in den Ohren, sie will mitfahren, und ich bin schon fast entschlossen, sie zu lassen. Aber wenn da Gefahr besteht …»
    «Ach, es besteht keine Gefahr», sagte Miriam. «Für sie nicht. Aber für uns …»
    «Was für eine Gefahr bestand denn für Sie?», erkundigte sich der Polizeichef.
    Miriam sah ihren Mann an. Er lächelte. «Für uns besteht immer die Gefahr, dass wir nicht zurückkommen», sagte er.
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