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Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren
Autoren: Uwe Klausner
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I
    Amphitheater, Beginn der zehnten Stunde
    [16:00 h]
    Er war der Schrecken seiner Gegner. Er war kräftig, zäh und ausdauernd. Und er war der Abgott des Publikums, vor allem der Frauen.
    Eins war Niger, Sieger in drei Dutzend Kämpfen, freilich nicht: ein Betrüger.
    Â»Du lässt ihn gewinnen, klar? Andernfalls kannst du dein Testament machen.« Das war deutlich gewesen. Unmissverständlich. Niger, Retiarius und gefeiertes Idol der Massen, ballte die Faust. Das war es also, was ein Römer unter Ehre verstand. Unter Anstand und dem Gebot, dass Pflichter­füllung an erster Stelle stand. Das also war es, worum es in seinem Gewerbe ging. Nämlich um Geld, um eine Menge Geld. Wie hatte der Kaiser, welcher das Flavium errichten ließ, doch gesagt: »Pecunia non olet.« Genau. Ein Aureus roch nicht. Auch dann nicht, wenn er in der Schatulle des Veranstalters verschwand.
    Das also, dachte Niger zähneknirschend, hatte es mit dem Eid auf sich, den er geschworen hatte. ›Uri, vinciri, verberari, ferroque necari.‹ Ich werde es erdulden, ausgepeitscht, in Ketten gelegt und gebrandmarkt zu werden. Und wozu? Damit ein paar Wenige, deren Namen es nicht wert waren, ausgesprochen zu werden, Nutzen aus dem Gemetzel zogen, welches in Kürze beginnen würde. Perfider, um nicht zu sagen ehrloser, ging es wirklich nicht.
    Â»Lass ihn nicht zu nah ran, hörst du? Sonst bist du geliefert!« Der gute alte Danaos, sein Ausbilder. Oder, anders ausgedrückt, sein Ersatzvater. Auch er ahnungslos, naiv wie ein kleines Kind. »Du weißt doch, wie er ist, Niger – Pugnax geht immer gleich aufs Ganze. Der hält sich nicht mit Vorgeplänkel auf. Wenn du schlau bist, wartest du erst mal ab. Auf Zeit spielen, verstanden? Alles andere regelt sich von selbst. Und noch was: Lass dich nicht provozieren. Wenn hier einer Katz und Maus mit einem Secutor spielt, dann du – haben wir uns verstanden? Du hältst dir den Tollpatsch vom Leib, tänzelst ihm vor der Nase rum – und zack! Dann ist der Angeber erledigt. Glaub mir, Niger: Der kann dir nicht das Wasser reichen. Viel Kraft, aber nichts dahinter.« Danaos stockte. »Sag mal, schwarzer Herkules, hörst du mir überhaupt zu?«
    Â»Natürlich höre ich dir zu.« Noch etwas, das ihm nicht gefiel. Danaos machte das weder absichtlich, noch hatte er vor, ihn zu kränken. Aber er konnte es nun einmal nicht ausstehen, wenn man Anspielungen auf seine Hautfarbe machte. Er war ein Gladiator wie jeder andere, nicht schlechter, aber um einiges besser als die meisten, mit denen er in Leptis, Rom oder in Arelate die Klingen gekreuzt hatte. Und er war nicht immer der gewesen, zu dem ihn das Schicksal gemacht hatte. Vor sieben Jahren, während seines achtzehnten Sommers, war er, den man in der Heimat ›Großer Jäger‹ genannt hatte, in die Fänge von Sklavenhändlern geraten. Ausgerechnet er, Mahamadu, dessen Wurfnetz Dutzenden von Straußen, Gazellen und sogar Antilopen zum Verhängnis geworden war. Eingefangen, in einen Käfig gesperrt, verschleppt und durch die Große Wüste Richtung Norden gekarrt. Hungrig, der Rücken mit Striemen übersät, halb wahnsinnig vor Durst. Es war wie ein Albtraum gewesen, eine mörderische, nicht enden wollende Tortur.
    Doch dann, in schier auswegloser Lage, hatte Fortuna ein Einsehen mit ihm gehabt. Auf dem Sklavenmarkt von Leptis war er einem Lanista aufgefallen. So nannte man die Besitzer von Gladiatorenschulen, die es überall im Imperium gab. Eugenius, gerissen, ohne Skrupel und mit allen Wassern des Styx gewaschen, hatte sofort zugegriffen und ihn für einen Spottpreis ersteigert.
    Zunächst einmal war er froh gewesen, den Fängen der Sklavenhändler entronnen zu sein. Die Freude indes sollte nicht lang Bestand haben. Kaum in Sicherheit, gebadet und mit einer Wolltunika versehen, hatte er mit dem übelsten Gesindel in Tripolitanien Bekanntschaft gemacht. Unter den Gladiatoren, das merkte er recht bald, befanden sich eben nicht nur Leute wie er. In der Mehrzahl handelte es sich um Kriegsgefangene, Kriminelle und Sklaven, die, offenbar zu nichts anderem nütze, von ihren Herren für teures Geld an die Gladiatorenschulen verkauft worden waren. Mitunter meldeten sich sogar Freiwillige, etliche davon auf der Suche nach Ruhm und Ehre, andere wiederum, um mit dem Geld, das sie zu verdienen hofften, nach Ablauf ihres Kontrakts ein neues
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