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Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren
Autoren: Uwe Klausner
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danach wieder der nächste. Wie von Furien gehetzt, setzte der Afrikaner nach, trieb seinen Erzfeind, der Mühe hatte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren, vor sich her. Dem Ungestüm, mit dem ihn der Retiarius attackierte, hatte der Secutor nichts entgegenzusetzen. Kaum fähig, sich seiner Haut zu erwehren, wich Pugnax, der Illyrer, zurück. Doch die Serie der Stöße riss nicht ab. Das Publikum, dessen Sympathien dem Retiarius galten, hielt es nicht mehr auf den Sitzen, es schrie, johlte, begleitete die Attacke mit frenetischem Applaus.
    Dann jedoch, nachdem Pugnax durch die halbe Arena gehetzt worden war, geschah es. Blind vor Raserei, hatte Niger erneut zugestoßen, hatte seinem Zorn, der ihm beinahe den Verstand raubte, durch einen besonders heftigen Stoß Luft verschafft.
    Und war vom Jäger zum Gejagten geworden.
    Niger erstarrte. Das, was nie und nimmer hätte geschehen dürfen, war eingetroffen. Sein Dreizack war im Scutum seines Widersachers stecken geblieben, und bevor er reagieren konnte, wich Pugnax zurück und riss ihm die Waffe, auf der seine Gefährlichkeit beruhte, aus der Hand.
    Der Illyrer reagierte blitzschnell. Ehe der Afrikaner wusste, wie ihm geschah, ließ Pugnax den Schild fallen, in dem immer noch der Dreizack steckte, und ging mit gezücktem Schwert zum Angriff über. All das dauerte nicht länger als einen Wimpernschlag, und es gab niemanden, der jetzt, im Angesicht der unerwarteten Wende, noch auf Niger gewettet hätte.
    Doch das Publikum, all die Schreihälse, die ihn mit Schmähungen überhäuften, irrte. Niger fing sich wieder, gerade rechtzeitig, bevor Pugnax mit gezücktem Schwert auf ihn zustürzte. Immerhin hatte er ja noch sein Netz, nicht viel, aber besser als nichts.
    Und er hatte seine Gewandtheit, die Fähigkeit, sich in den Gegner hineinzuversetzen. Pugnax hielt nicht viel von Finten, Täuschungsmanövern oder Taktik. Er bevorzugte den Frontalangriff, liebte das Risiko.
    So wie jetzt, da er sich im Vorteil wähnte. Aber er hatte die Rechnung ohne den Afrikaner gemacht. Scheinbar mühelos wich ihm dieser aus, behände wie eine Gazelle, auf der Hut wie ein Luchs. Der Retiarius rang nach Luft. Außer Gefahr, das wusste er, war er noch lang nicht. Aber er gewann Zeit. Wenigstens so viel, um einen Plan zu schmieden.
    Bebend vor Groll, wirbelte Pugnax herum. Der Afrikaner indes wich zurück, zückte seinen Dolch, drehte sich bald hierhin, bald dorthin, tänzelte wie ein Satyr durch die Arena, auf deren Rängen sich allmählich Unruhe breitmachte. Niger achtete nicht darauf. Taub gegenüber Zurufen, welche ihn der Feigheit bezichtigten, ließ sich der Afrikaner nicht beirren und zog seine Kreise, das Netz, welches er am Boden entlangschleifen ließ, in der rechten Hand. Bald schien es, als vollführe er ein uraltes Ritual, begleitet vom Klang der Trophäen, welche er an seinem Fußgelenk trug. Sie waren das Einzige, was ihm von zu Hause geblieben war, aus der Zeit, in der er, Mahamadu, noch wilde Tiere gejagt, deren Zähne, Hauer und Krallen er aufbewahrt und zu einer Kette, seinem Glücksbringer, zusammengefügt hatte.
    Und siehe da – die Rechnung ging auf. Der Kampfeifer des Illyrers erlahmte. Je länger Niger um ihn herumtänzelte, ihn reizte und provozierte, desto schwerfälliger wurden seine Schritte, desto rascher der Atem, nach dem er rang. Am Ende seiner Kraft, schnappte der Secutor nach Luft, während ihm der Schweiß über den dicht behaarten Oberkörper rann. Niger sah es mit Genugtuung. Alles, was er jetzt tun musste, war abwarten. Abwarten, bis Pugnax einen Fehler beging.
    Nicht lang, und es war so weit. Das Gesicht nach Osten gewandt, stand Niger seinem Gegner gegenüber. Der Afrikaner schien zu zögern, unsicher, was er als Nächstes tun solle.
    Doch dem war nicht so. Ein Lächeln im Gesicht, das der Secutor nicht zu deuten wusste, verharrte Niger auf der Stelle. Wohl wissend, dass der Kampf auf Messers Schneide stand, umklammerte der Secutor seinen Schwertknauf, wischte sich den Schweiß von der Stirn, blinzelte in die tief stehende Sonne, wich zurück – und folgte dem Blick des Retiarius, der, so schien es, nach seinem Dreizack Ausschau hielt.
    Es war nicht der erste Fehler, den Pugnax beging, aber ein Fehler, der sein Schicksal besiegeln sollte. Kaum hatte auch er die Waffe erspäht, spürte der Illyrer, dass dies nur ein
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