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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab
Autoren: Harry Kemelman
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war’s was anderes. Da hat er für ein bestimmtes Prinzip gekämpft, nicht nur um seine Stellung. Verlass dich auf den alten Marty. Willst du Rabbi Deutch? Dann hol dir seine Unterschrift unter den Vertrag.»
    Marty Drexlers Argumente hatten in Bert Raymond das Gefühl ausgelöst, die Sache sei tatsächlich dringend. Trotzdem entschied er sich für die von ihm bevorzugte ruhige, lässige Methode, als sie im Wohnzimmer mit dem Rabbi und seiner Frau zusammensaßen. Er sprach über das Wetter und wie angenehm Barnard’s Crossing im Sommer sei. Er erkundigte sich nach dem berühmten Bruder der Rabbitzin und nach den Neuigkeiten, die er aus Israel mitgebracht hatte. Erst als er merkte, dass Marty zappelig wurde, sagte er: «Wir sind hergekommen, um die Angelegenheit abzuschließen, über die wir uns letzte Woche unterhalten haben, Rabbi.»
    «Haben Sie Nachricht von Rabbi Small?», erkundigte sich Rabbi Deutch.
    «Nun … nein, Rabbi, nicht direkt.»
    «Dann kennen Sie doch auch seine Einstellung nicht, was die Position hier betrifft.»
    «Tja, nicht gerade mit vielen Worten … aber ich bin überzeugt davon, er ist nicht interessiert. Ich meine – die ganze Art, wie sich unsere Verhandlungen mit ihm entwickelt haben, lässt den Vorstand annehmen, dass er nicht daran interessiert ist, zurückzukommen. Wir möchten die Kontinuität sicherstellen, deshalb hätten wir gern die Angelegenheit heute Abend durch Ihre Unterschrift unter einen Vertrag endgültig geregelt.»
    «Aber Rabbi Small wird doch wahrscheinlich in ein paar Tagen zurück sein. Fraglos können wir doch bis zu seiner Ankunft warten, bevor wir die Sache festmachen.»
    An diesem Punkt riss Marty Drexler die Geduld. «Hören Sie zu, Rabbi, ich bin Geschäftsmann und im Gegensatz zu Bert gehe ich bei Verhandlungen nicht gern um den heißen Brei herum. Aus ihm spricht der Jurist. Ich sag Ihnen klipp und klar, was los ist. Wir wollen keinen Krach in der Gemeinde. Wir wollen nicht, dass die Leute Partei ergreifen und sich über das Für und Wider in die Haare kriegen, welcher Rabbi nun besser ist. Ich persönlich halte das für unwürdig», setzte er tugendhaft hinzu. «Wenn Sie also bleiben wollen – bitte, hier haben wir einen Vertrag. Sie unterschreiben ihn, und damit ist der Fall ausgestanden. Wir sind ziemlich sicher, Rabbi Small wird keine Sperenzchen machen, nicht wenn er vor eine vollendete Tatsache gestellt wird. Verstehen Sie? Wir unterschreiben jetzt gleich den Vertrag, und alles ist in bester Ordnung. Warten wir, bis Rabbi Small ankommt, gibt’s Zores.»
    Rabbi Deutch nickte bedächtig. «Ich verstehe», sagte er, diesmal mit seiner normalen Alltagsstimme. «Gut, wenn Rabbi Small zurückkommt, werde ich mit ihm sprechen. Wenn er rundheraus erklärt, dass er die Stellung nicht haben möchte und nicht beabsichtigt, sie wieder anzutreten, dann werde ich Ihren Vertrag unterschreiben. Ist er jedoch an der Position interessiert, auch wenn Ihr Vorstand beschließt, dass Sie ihn nicht haben wollen, und ihn abwählt, dann liegt mir in keiner Weise daran zu bleiben.»
    Mrs. Deutch nickte ruckartig und bestimmt wie eine Lehrerin, wenn ein schwerfälliger Schüler in Gegenwart des Schulrats richtig antwortet.
    «Aber Ihre Frau sagte doch …», platzte Marty heraus.
    «Das ist meine Meinung», erklärte der Rabbi entschieden, «und das ist auch die meiner Frau.»
    Als sie gegangen waren, sagte der Rabbi zu seiner Frau: «Ich bin froh, dass das vorbei ist. Mein Gewissen hat mich die ganze Zeit geplagt, seitdem ich mit dem Gedanken gespielt habe, hier zu bleiben.»
    «Ich fürchte, ich habe ein bisschen daran gedreht», bekannte Mrs. Deutch kleinlaut. «Aber um die Wahrheit zu sagen, ich dachte wirklich, dass Rabbi Small nicht zurückkommt. Ich meine, wenn einer kein Wort von sich hören lässt …»
    «Nun, ich glaube, ich kann ihm das nachfühlen. Er ist noch jung, und ich denke, sie haben ihn gekränkt. Also schreibt er ihnen nicht. Nicht mal eine Karte, dass es ihm gut geht.»
    «Vermutlich.» Sie zögerte. «Nach dem, was Dan uns erzählt hat, war es dir natürlich unmöglich, anders zu entscheiden. Aber ich gebe gern zu, Hugo, dass es mir Leid tut. Ich habe unsere paar Monate hier wirklich genossen …»
    «Weißt du, ich hab darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es mir hier nicht wegen des Tempels oder der Gemeinde gefallen hat, sondern weil es neu für uns war. Und wir waren nur auf Zeit hier, deshalb hat uns jeder außergewöhnlich
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