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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab
Autoren: Harry Kemelman
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gefahren hatte, erschien Rabbi Deutch auf der Veranda und winkte ihnen zu.
    Als Dan aus dem Wagen stieg, wurde er von seinem Schwager überschwänglich begrüßt.
    «Schön, dich zu sehen, Dan. Du bleibst doch eine Weile bei uns, ja? Lass nur, ich nehme die Reisetasche.» Unbekümmert um Dans Protest packte er die größere der beiden Taschen, die Dan auf den Gehsteig gestellt hatte, und trug sie hinein.
    «Das Leben hier muss ihm gut bekommen», bemerkte Dan zu seiner Schwester. «Hugo wirkt viel forscher, viel lebhafter als beim letzten Mal.»
    «Ist er auch. Liegt an dem neuen Job. Es macht ihm richtig Spaß. Du musst mir helfen, ihn zu überreden, dass er bleibt.»
    Stedman sah seine Schwester an und verzog den Mund. «Wir werden darüber sprechen», sagte er geheimnisvoll.

52
    Sie waren übereingekommen, dass Raymond das Reden übernehmen sollte, nicht nur, weil er der Vorsteher war. Aber als Anwalt war er vermutlich wendiger bei Verhandlungen.
    «Du bist oft zu impulsiv, Marty. Bei kultivierten Leuten wie Rabbi Deutch und seiner Frau musst du ruhig und lässig sein. Die kannst du nicht wie ein Ehepaar behandeln, das sein Mietgeld beim Rennen verspielt hat und sich an dich um ein Darlehen wendet.»
    «Geschenkt, dann redest eben du. Aber lass dir bloß den Vertrag heute Abend unterschreiben.»
    «Damit liegst du mir dauernd in den Ohren. Schön, wenn er sagt, er bleibt, kann er von mir aus den Vertrag unterschreiben, wann er will. Wie ich ihn kenne, möchte er ihn vielleicht von seinem Rechtsanwalt prüfen lassen …»
    «Ach? Eins sag ich dir, Bert, solange wir nicht seine Unterschrift schwarz auf weiß haben, ist alles andere für die Katz. Ich weiß, er ist ein kultivierter Mensch, und vielleicht ist sein Wort so gut wie seine Unterschrift. Aber ich … Ich hab schon zu viele Geschäfte erlebt, wo sich alles einig ist und sich die Hände schüttelt, und später sagen sie dann, du hast sie missverstanden, oder die Voraussetzungen haben sich geändert. Meinst du, wir sind die Einzigen, die auf ihn scharf sind? Kann ja sein. Und es ist ebenso gut möglich, dass er nach ein paar Wochen hier gefunden hat, Arbeit ist ihm lieber als Faulenzen. Na, und was wird er dann schon tun? Er schreibt Briefe an Gemeinden, wo die Rabbis ihr Sabbatjahr nehmen, und sagt: ‹Wie ich höre, wird Ihr geistiger Führer, Rabbi Zilch, während seines Sabbatjahres abwesend sein, bla-bla-bla … und so möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich bereit bin, Ihnen für die Zeit auszuhelfen – bla-bla-bla. Ihr ergebener Hugo Deutch, emeritierter Rabbi.›»
    «Mach keine faulen Witze, Marty!»
    «Glaub mir, es würde mich nicht überraschen. Überleg mal, er war doch nur ein paar Monate im Ruhestand. Hab ich Recht? Da tauchten wir auf und boten ihm einen Job an. Stimmt’s? Nun sag mir eins – wieso hat er ihn angenommen, wenn er doch im Ruhestand war? Ich könnte verstehen, wenn er einem Kollegen aus der Patsche geholfen hätte, der krank war oder sein Sabbatjahr nehmen wollte. Aber er kannte Small ja gar nicht. Ich werd dir sagen, wieso er ihn angenommen hat. Weil es ihm zum Halse raushing, auf seinem rabbinischen Toches rumzusitzen und Daumen zu drehen. Ruhestand ist nicht jedermanns Sache. Aber er weiß, der Job ist nur auf drei Monate. Wenn’s ihm also gefallen hat, wieder im Geschirr zu sein, würde er sich dann nicht mit anderen Gemeinden in Verbindung setzen?»
    «Also …»
    «Das ist der Grund, warum ich seine Unterschrift haben will. Außerdem wird Small, wenn er in ein paar Tagen zurückkommt, so tun, als war er zu ’nem normalen Urlaub weggefahren; jetzt ist er eben wieder da und will an die Arbeit gehen.»
    «Dann sagen wir ihm, wir haben angenommen, er sei von seinem Posten zurückgetreten, und deshalb anders disponiert.»
    Marty Drexler schüttelte vehement den Kopf. «Bloß nicht. Dann würde Rabbi Deutch sofort dankend verzichten.»
    «Na, und wieso sieht es anders aus, wenn wir seine Unterschrift auf dem Vertrag stehen haben?»
    «Dann ist er festgelegt und kann nicht kneifen. In dem Fall wär’s Rabbi Small, der dankend verzichtet.»
    «Woher willst du wissen, dass er nicht darum kämpfen würde?»
    «Weil er stolz ist und uns nicht die Genugtuung geben würde, einzugestehen, dass er rausgeschmissen wurde. Er würde so tun, als hätte er sowieso nicht vorgehabt, zurückzukommen.»
    «Ich glaube mich zu erinnern, dass er früher sehr wohl um seine Stellung gekämpft hat. Ein paar Mal war er …»
    «Nein, Bert, da
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