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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht
Autoren: Maja Winter
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    S ie werden nicht kommen « , sagte Berias. » Sie wären verrückt, wenn sie das täten. «
    Der königliche Umzug zu Ehren der Prinzenverlobung war seit mehr als zwei Schattenschritten überfällig. Schon seit dem frühen Morgen saßen die beiden Männer auf der zerbrochenen Festungsmauer der alten Königsstadt Rajalan, und während Berias sich durch einen Korb unreifer Äpfel knabberte, die er in einem der verlassenen Gärten gepflückt hatte, beobachtete Ralnir die gefleckten Eidechsen, die sich nach und nach aus ihren Ritzen wagten und mit ihren runden gelben Augen in die Sonne starrten.
    Am Horizont tat sich nichts.
    Â» Einen so großen Umweg werden sie nicht auf sich nehmen, ganz gleich, wie viele Zeremonienmeister Ihr mit einem Bann belegt habt. « Berias war schon immer ein Zweifler gewesen.
    Zeitweise forderte er die Geduld seines Meisters heraus, hin und wieder reizte er ihn sogar zum Zorn, aber genau aus diesem Grund war Ralnir die Gesellschaft dieses unerschrockenen jungen Mönchs so wichtig. Vor den anderen Brüdern verlor er sich als Oberhaupt des Ordens allzu leicht in dem Glauben, unfehlbar zu sein. Berias hingegen erinnerte ihn stets daran, dass selbst die ältesten und weisesten Diener der Vier nichts als Sandkörner waren im großen Schmelzofen des Schicksals.
    Etwas Gelbliches huschte vorüber, und Ralnirs Hand schnellte vor. Einem Mann seiner Größe und Statur hätte man eine solche Flinkheit nicht zugetraut. Die Eidechse zappelte in seinem Griff, bis er ihr den Kopf abbiss.
    Â» Für ein Picknick, ganz gleich aus welchem Anlass, ist es zu weit bis nach Rajalan, und die älteste Zwillingsprinzessin hasst das Fahren mit dem Wagen genauso sehr wie das Reiten. Wurzel und Krone, könnt Ihr das nicht lassen? Das ist ja widerlich. « Berias wandte sich ab.
    Â» Ihr kennt die Familie mittlerweile recht gut. « Mit sichtlichem Genuss nagte der Meister das zarte Fleisch der Eidechse von den Knochen.
    Berias schnaubte nur. » Üblicherweise lagern die königlichen Geschwister im Birnental, einen Schattenschritt vom Schloss entfernt. «
    Â» Warum bist du so übel gelaunt? « , fragte Ralnir und fuhr sich zufrieden mit der Zunge über die Zähne. Die meisten Eidechsen in dieser Gegend waren giftig. Es kam darauf an, sie zu packen, bevor sie zubeißen konnten– das Risiko dabei war ebenso köstlich wie ihr Geschmack. » Der Zeremonienmeister wird die Gesellschaft hierherführen. Er kann gar nicht anders. «
    Ralnir vermied es nach Möglichkeit, Unschuldige mit einem so starken Bann zu belegen, doch Verzweiflung erfordert zuweilen verzweifelte Maßnahmen. Natürlich wollte er den unbedarften Ordensbruder nicht wissen lassen, wie viele Nächte er wachgelegen und gegrübelt hatte. Blutiger Schweiß hatte seine Kutte gefärbt, während er im Gebet mit den Vier rang, jenen Mächten, die die Erde geformt hatten und sich seitdem in Schweigen hüllten. Ihr Unwillen, ihm eine Antwort zu geben, hatte ihn, den Meister des Ordens, beinahe dazu verleitet, seinem Glauben im Zorn abzuschwören, ungeachtet all der Opfer, die er bereits gebracht hatte.
    Die königliche Familie musste herkommen, hierher in die alte Ruinenstadt, in der einst der Großkönig von Terajalas geherrscht hatte, bevor die Eroberer aus Wiram ihn getötet hatten und das Land vor die Hunde ging. Die Verlobung des Kronprinzen hatte Ralnirs Pläne nicht beeinträchtigt. Er konnte es sich nicht leisten, noch länger zu warten. Nachdem die Mönche auch die verborgensten Aufzeichnungen ausgegraben hatten, um den Stammbaum lückenlos nachzuverfolgen, war es an der Zeit zu handeln.
    Â» Da kommen sie « , sagte Berias. » Verzeiht, dass ich an Euch gezweifelt habe. «
    Die Festtagsprozession ergoss sich wie eine Armee schwarzer Ameisen über die verwitterte Straße, die von Ghi Naral, der neuen Stadt der Könige, über die grasbewachsene Ebene nach Rajalan führte. Fürwahr ein ungewöhnlicher Ort für ein Gelage, und Ralnir war klar, dass einige Brüder ihm diese unorthodoxe Maßnahme übel nehmen würden. Doch weder auf sie noch auf sich selbst durfte er Rücksicht nehmen. Ebenso wenig auf den ahnungslosen jungen Menschen, dessen Leben sich heute verändern würde.
    Â» Ihr habt mich nie gefragt, wie die Prüfung ausgefallen ist « , sagte Berias verzagt, und ein Schatten
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