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Vertraute Gefahr

Vertraute Gefahr

Titel: Vertraute Gefahr
Autoren: Michelle Raven
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    Arches National Park, Utah
    Wenn sie geahnt hätte, was passieren würde, wäre sie in einen anderen Teil des Parks gegangen oder besser noch in ihrem Hotelzimmer in Moab geblieben. Autumn verlagerte vorsichtig ihr verletztes Bein auf dem glatten, aber unbequemen Felsblock, den sie mit letzter Kraft erreicht hatte. Auch wenn er nicht besonders hoch war, konnte sie so ihr Knie etwas entlasten, das sich in ihrer Jeans bereits geschwollen anfühlte. Und es war immer noch besser, als im Sand zu sitzen und womöglich auf irgendwelche Krabbelviecher zu stoßen.
    Dummerweise hatte sie am Parkplatz zum Fiery Furnace im Arches National Park, einem Gebiet mit verwirrenden hohen Felssäulen aus rotem Sandstein, die Warnschilder ignoriert, die auf unmarkierte Wege und Verirrungsgefahr hinwiesen. Sie hatte sich nicht für einen unbedarften Besucher gehalten – eine klare Fehleinschätzung. Auch wenn sie in einer Woche Ranger im Park werden würde, hieß das noch lange nicht, dass sie sich hier auskannte, schließlich kam sie geradewegs aus New York. Nun wusste sie es besser. Während ihrer mehrstündigen Wanderung war sie mit ihren Turnschuhen auf dem teuflisch glatten Fels mit dem treffenden Namen Slickrock ausgerutscht und hatte sich ihr Knie verletzt. Zusätzlich zu den Schmerzen quälte sie furchtbarer Durst, und auch die Tatsache, dass sie seit heute Morgen nichts gegessen hatte, machte sich unangenehm bemerkbar. Aber noch schlimmer war, dass es langsam dunkler wurde und sie wohl die Hoffnung aufgeben musste, heute noch gerettet zu werden.
    Es würde sie nicht mal jemand vermissen, denn sie hatte niemandem gesagt, dass sie sich im Fiery Furnace aufhalten wollte. Wem hätte sie es auch sagen sollen? Sie kannte hier niemanden, und wenn es nach ihr ging, dann würde das auch so bleiben. Sie war in diese weite Landschaft gekommen, um dem Engegefühl in New York und ihrer Arbeit als Bibliothekarin zu entfliehen. Natürlich gab es auch noch andere Gründe, aber darüber wollte sie im Moment lieber nicht nachdenken, schließlich hatte sie schon genug Probleme. In diesem Moment hätte sie sich allerdings gefreut, andere Menschen zu sehen, denn das würde bedeuten, dass sie nicht die Nacht hier in diesem einsamen Gebiet verbringen musste.
    Ein Schauder lief bei der Vorstellung über ihren Rücken, hier in der Dunkelheit ausharren zu müssen. Es konnte sich jederzeit jemand nähern und … Mit Gewalt schob Autumn diesen Gedanken beiseite. Sie musste jetzt die Nerven behalten, wenn sie die Nacht überstehen wollte. Auch wenn ihre Erinnerung sie zurück in den Abgrund führen wollte, musste sie dagegen ankämpfen. Sie war hier zwar allein, aber das hatte auch den Vorteil, dass Robert nicht wusste, wo sie war. Und damit gab es keine Gefahr, dass er plötzlich auftauchen würde. Sie musste nur warten. Morgen würden neue Besuchergruppen dieses Gebiet durchwandern und sie entdecken.
    Autumn lehnte sich zurück. Wenigstens war es nach Sonnenuntergang ein wenig kühler geworden, was ihrer verbrannten Haut unendlich guttat. Trotz ihrer misslichen Lage musste sie zugeben, dass der Nationalpark wunderschön war. Massive dunkelrote Felswände, balancierende Steine und die bekannten Felsbögen gaben eine faszinierende Kulisse ab. Hier im Fiery Furnace, im Schluchtenlabyrinth aus Buntsandsteinsäulen, die in der späten Abendsonne Feuer zu fangen schienen, gab es die moderne Welt nicht mehr. Kein Laut war zu hören, außer dem gelegentlichen Singen eines Vogels. In den Büchern, die sie sich in Vorbereitung auf ihre Arbeit gekauft hatte, stand, dass die meisten der hier heimischen Tiere den ganzen Tag in Felsspalten schlummerten und erst nachts aktiv wurden. Sie hoffte, dass diese Regel auch für Schlangen und Skorpione galt.
    Schnell richtete sie sich auf, als sie ein Rascheln hörte. Sie sah sich um, konnte aber nichts Ungewöhnliches in der flimmernden Hitze und den dunklen Schatten entdecken. Erleichtert ließ sie sich zurücksinken. Glücklicherweise würde die Temperatur nachts nicht so extrem sinken, erfrieren würde sie also nicht. Aber es konnte durchaus sein, dass sie verdurstete. Ihr letztes Wasser hatte sie schon vor Stunden getrunken und nun fühlte sich ihre Zunge in ihrem Mund wie ein trockenes Stück Holz an. Mühsam versuchte sie zu schlucken. In einem Buch hatte sie gelesen, dass man sich kleine Steine in den Mund legen sollte, um den Speichelfluss anzuregen. Aber wo waren diese Steine, wenn man sie brauchte? Hier gab es
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