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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees
Autoren: Andrea Fazioli
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Detektiv sah ihn schweigend an.
    »Ständig diese sinnlosen Fragen! Wieso kommen Sie damit immer zu mir, he?«
    Contini schwieg noch immer.
    »Sagen Sie jetzt nicht, Sie haben ein heimliches Aufnahmegerät und wollen mich drankriegen … Nein, warten Sie, ich weiß: Sie sind mit einer Pistole gekommen und wollen Ihren Vater rächen!« Und er brach in Gelächter aus.
    Continis Miene blieb steinern. »Wieso kommt Ihnen das so abwegig vor?«, fragte er.
    »Aber gar nicht, gar nicht!«, erwiderte Finzi, immer noch lachend. »Wenn es einen gibt, der auf solche Ideen kommt, dann doch gerade Sie! Aber Scherz beiseite: Was wollen Sie wirklich?«
    »Es laufen Ermittlungen gegen Sie«, sagte Contini.
    »Ach was!« Finzis Erheiterung ließ nicht nach. »Sie sehen mich von Furcht und Schrecken ergriffen!«
    »Irgendwann finden sie schon was.«
    »Ja, mein Lieber, irgendwas finden sie, aber - und hier weihe ich Sie in ein Geheimnis ein - wird es ihnen auch gelingen, mich zu finden?«
    »Wollen Sie sich absetzen?«
    Finzi bekam einen weiteren Lachanfall. »Sie sind wirklich phä-no-me-nal! Aber ja, natürlich, natürlich! Und jetzt frag ich Sie zum dritten Mal: Was wollen Sie von mir, wieso sind Sie hier?«
    »Ich wollte Ihnen einfach ins Gesicht schauen, ich wollte hören, ob Sie mir was zu sagen haben.«
    »Aha«, sagte Finzi, endlich ernst. »Schauen Sie, seitdem diese Geschichte angefangen hat, vor zwanzig Jahren, sind, wenn wir Calgari mitzählen, sieben Menschen umgekommen. Und stellen Sie sich vor: Ich habe keinen einzigen von ihnen umgebracht. Sie hingegen schon: Sie haben Calgari ermordet.«
    »Das war …«
    »Ja, ja, Notwehr. Sicher. So heißt es im Krimi, aber das ändert nichts daran, dass Sie ihn erschossen haben. An meinen Händen klebt kein Blut! Sie werden mir vorwerfen, ich hätte alles gewusst, ich sei das schwarze Schaf etcetera … aber umgebracht habe ich niemanden. Also heulen Sie sich gefälligst anderswo aus.«
    Contini stand auf. Finzis Fröhlichkeit kehrte zurück.
    »Reicht Ihnen das etwa schon?«
    »Ja, ich weiß jetzt, was ich wissen wollte.«
    »Und jetzt kaufen Sie sich eine Pistole und kommen noch mal her, um mich umzubringen, stimmt’s?«
    Contini drehte sich um und verließ wortlos das Büro.
    Es war fast Mittag, und in den Fensterscheiben spiegelte sich gleißend die Sonne. Contini zog sich die Hutkrempe tiefer ins Gesicht und ging zum Bahnhof zurück. Mit dem Vorsatz, sich ein Sandwich zu kaufen und dann gleich ins Büro zu gehen, nahm er den ersten Zug nach Lugano.
    Hatte er wirklich bekommen, was er wollte?
    Nun, jetzt war er draußen. Er hatte Finzi wiedergesehen, er hatte ihn lachen hören. Und er hatte es geschafft, sich nicht provozieren zu lassen. Er war aufgestanden und gegangen.
    Er lehnte sich im Sitz zurück und war im Begriff, die Augen zu schließen, als er neben sich eine Bewegung wahrnahm. Er fuhr auf. Jemand hatte sich vom Sitz hinter ihm vorgebeugt, war aber sogleich wieder verschwunden. Contini dachte an ein zu Scherzen aufgelegtes Kind, aber im nächsten Moment sagte eine männliche Stimme: »Bitte bleiben Sie, wo Sie sind, und hören Sie mir zu!«
    Contini erstarrte.
    »Ich bin Passalacqua. Erinnern Sie sich?«
    »Nein«, sagte Contini und machte Anstalten, aufzustehen.
    »Nicht, bitte! Bleiben Sie sitzen! Man darf uns nicht zusammen sehen! Ich war ein Mitarbeiter von Signor Finzi, wissen Sie noch? Wir haben uns kennengelernt, als Sie …«
    »Ja, ich erinnere mich«, unterbrach ihn Contini. »Was wollen Sie?«
    Zur Abwechslung war er einmal derjenige, der diese Frage stellte.
    »Ich und Herr Finzi … also um es kurz zu machen, unsere Wege haben sich getrennt. Vielmehr hat er mich abserviert oder, wenn Sie so wollen …«
    »Wollten Sie’s nicht kurz machen?«
    »Aber die Frage …«
    »Und wieso müssen wir Rücken an Rücken reden? Das ist doch absurd!« Contini wollte wieder aufstehen, doch Passalacqua zischte: »Nein! Bleiben Sie. Und hören Sie mir bitte eine Minute zu!«
    Contini seufzte. »Hab ich eine andere Wahl …«
    »Also. Sie wissen, dass Finzi trotz allen seinen kriminellen Geschäften ungeschoren davonkommen wird.«
    »Die Polizei ermittelt gegen ihn.«
    »Die Polizei, die Polizei! Glauben Sie wirklich, dass sie heute hingehen und ihn festnehmen?«
    »Nein, aber …«
    »Morgen ist es zu spät, dann ist er weg. Finzi ist kein Idiot, er hat seine Flucht gründlichst vorbereitet, seit Monaten. Und deshalb hat er auch mich an die Luft gesetzt. Er will alle
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