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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees
Autoren: Andrea Fazioli
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Brücken hinter sich abbrechen.«
    »Na und?«
    »Deshalb habe ich mich mit Finzis Mann auf den Jungferninseln in Verbindung gesetzt, dem Herrn Sutter. Finzi will sich eine Weile auf Tortola niederlassen, wo er keine Auslieferung befürchten muss, außerdem hat er dort einiges laufen.«
    »Na und?«
    »Hören Sie: Signor Sutter würde Finzi sehr gern zu Fall bringen, verstehen Sie? Wenn Finzi auf den Jungferninseln eintrifft, könnte ihm beispielsweise ein Unfall zustoßen, und dann …«
    »Und was habe ich damit zu tun? Kommen Sie zum Punkt, Passalacqua, und strapazieren Sie nicht meine Geduld …«
    »Moment, Moment! Das Problem ist, dass Sutter Zeit braucht, um Vereinbarungen zu treffen. Auch Finzi hat seine Verbündeten auf den Jungferninseln, und Sutter will sich mit ihnen absprechen, sie möglichst auf seine Seite ziehen, vielleicht durch Bestechung. Deshalb müssen wir alles tun, damit …«
    »Wir?«
    »… wir müssen alles tun, um Finzi noch ein paar Tage zurückzuhalten. Er will morgen abhauen, aber wir …«
    »Noch einmal: Wen meinen Sie denn mit wir?«
    »Sie und ich, wir haben beide eine Rechnung mit ihm offen, und die Gelegenheit ist jetzt so günstig wie nie. Ich bitte Sie, Contini, Sie müssten nur … Hallo, sind Sie noch da?«
    Contini war aufgestanden und war um die Sitze herumgegangen; jetzt betrachtete er den Rücken Passalacquas, der in den Schlitz zwischen den zwei Lehnen hineinflüsterte.
    »Ich bin hier«, sagte er.
    Passalacqua riss es herum wie eine Vogelscheuche, in die eine Windbö fährt. »Aber …!«
    »Viel Glück, Passalacqua.«
    Der Detektiv nahm seinen Hut von der Ablage und wechselte das Abteil.
    Inzwischen hatte der Zug Melide passiert und würde in wenigen Minuten in Lugano eintreffen. Genug, er war jetzt draußen. Frei! Endlich war er dem Bann des Malvagliasees entronnen.
    Aber an diesem Abend, als er die Serpentinen nach Corvesco hinauffuhr, grübelte er, ob er wollte oder nicht, doch wieder darüber nach, wie es weitergehen sollte. Es war nicht so einfach, sich von einem Dorf zu befreien, das für immer versenkt wurde.
    Die Gebirgsluft kam durch das offene Wagenfenster herein, und er schauderte. Noch war der Winter nicht vorbei, und im Norden, zum Sankt Gotthard hin, türmten sich schwere Haufenwolken. Das gibt einen Wolkenbruch, dachte Contini. Die Bäume auf beiden Seiten der Straße waren noch kahl, doch hier und da spitzten schon Knospen, und aus dem jungen Gras schoben sich Schlüsselblumen.
    Zwischen den Bäumen sah er sein Haus auftauchen, grün blitzten die Fensterläden. Vor der letzten Kurve hupte er kurz. Und als er die Kurve genommen hatte, sah er den Wagen vor dem Haus stehen.
    Er parkte, stieg aus, ging auf die Haustür zu. Er kramte nach dem Hausschlüssel, sah dann aber, dass die Tür einen Spalt offen stand. Der graue Kater kam mit erhobenem Schwanz heraus. Da schau her, wen haben wir denn da? Was ist, Kater, hast du Gesellschaft? Viel Glück, Contini.
    Sie war in der Küche. Sie ließ Wasser in den Kessel laufen.
    »Ich dachte, ich mach mal Tee«, sagte sie mit dem Rücken zu ihm.
    »Francesca.«
    »Weißt du«, sagte sie und drehte sich zu ihm um, »mir ist eingefallen, wo du zuletzt deinen Ersatzschlüssel versteckt hast. Aber nachdem ich dich kenne, dachte ich, er ist nicht mehr da, weil du jede Woche das Versteck wechselst …«
    »Ich hab’s vergessen.«
    »Zum Glück!«
    Francesca lächelte. Contini trat auf sie zu, und während sie den Kessel auf den Herd stellte, umschlang er sie von hinten und küsste sie in die Vertiefung zwischen Hals und Schulter. Sie drehte sich um und strich ihm über die Haare.
    »Ich wette«, sagte sie, »du warst bei Finzi.«
    Contini nickte.
    »Und jetzt?«
    »Nichts«, sagte er und öffnete den Kühlschrank. »Es ist kein Bier mehr da.«
    »Deswegen wollte ich Tee machen.«
    »Hm.«
    Später tranken sie draußen auf der Veranda Tee und sahen zu, wie sich der Abend über Corvesco legte. Contini rauchte schweigend, Francesca hielt ihren Becher mit beiden Händen umfasst.
    »Weißt du was?«, sagte er nach einer Weile.
    »Was?«
    »Als ich kam, hab ich dein Auto gesehen. Dann bin ich ins Haus und hab dich in der Küche gesehen. Und weißt du, was ich da gedacht habe?«
    »Abgesehen davon, dass kein Bier mehr da ist?«
    »Ja, abgesehen davon. Weißt du, was ich gedacht habe?«
    »Nein, weiß ich nicht, Contini … Sag’s mir.«
    »Ich habe gedacht: So, endlich bin ich daheim.«
     

Epilog
    Es könnte derselbe Taxifahrer
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