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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition)
Autoren: Stefan Casta
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beliebteste Lehrer an der Schule, weil er neu ist und sich fetzige Sachen ausdenkt, ein gesprächiger, sportlicher Typ, braungebrannt, mit kurzgeschnittenen Haaren. Ich weiß, dass er eine Freundin hat, die manchmal vor der Schule auf ihn wartet, dann nimmt er sie in seinem Jeep mit. Ann-Katrin heißt sie.
    Der Ganser ist der Lehrer, den ich am meisten mag, nach Red Bull natürlich, aber ich mag ihn auch irgendwie anders. Red Bull ist so, wie ein guter Lehrer sein soll, während der Ganser mehr wie ein Kumpel ist. Er unterrichtet uns in Film & Bild. Manchmal drückt er mich und sagt, ich sei seine beste Freundin. Dann erinnere ich ihn an Ann-Katrin, und er lacht. Und jetzt hat er ja Dinah dazubekommen. Aber er scheint sich nicht besonders für sie zu interessieren. Das Thema Bild ist wohl nicht so sein Ding, für ihn zählt nur Film. Außerdem glaube ich, dass Dinah ihm ein bisschen Angst macht.
    Der heutige Freitag ist einer dieser ewigen Regentage. Der Fluss, der am Vogelnest vorbeifließt, ist gestiegen, und Gun-Helen war heute Morgen schon unten am Wasser und hat mit der Feuerwehr gesprochen. Sie sagt, für das Vogelnest bestehe keine Gefahr, aber in einem der Einkaufszentren weiter flussabwärts habe es eine Ratteninvasion gegeben und sie hätten es wegen Sanierungsarbeiten schließen müssen.
    Die Bauarbeiter, die gerade die Betonfundamente für die Terrasse gießen, müssen ihre Arbeit unterbrechen. David und Gabriel, die draußen dem Betonmischer zugeschaut haben, kommen wieder herein, total durchnässt. David wird stinksauer, als er kapiert, dass er nicht zu mir mitkommen kann, weil ich Dinah übers Wochenende eingeladen habe.
    »Du hast doch Gabriel«, sage ich. »Vielleicht erfindet ihr zwei noch was Geniales gegen den Regen.«
    Da sieht er gleich viel fröhlicher aus. Wenn man erst mal weiß, wie man mit ihnen umgehen muss, wird einem klar, dass Jungs leichter zu manipulieren sind als Haustiere, jedenfalls springen sie über jedes Stöckchen, das du ihnen hinhältst. Dinah schlägt vor, sie könnten zum Beispiel einen Regenschirm erfinden, aber nachdem David eine Weile darüber nachgedacht hat, meint er, der Regenschirm sei wohl schon erfunden.
    »Ich meine, einen größeren«, sagt Dinah, »einen, der die ganz Erde abschirmt.«
    Da kriegt er leuchtende Augen.
    »Fuck your Friday!«, brüllt er und stürzt davon, um Gabriel zu suchen.
    An diesem Freitag hat der Ganser sich ausgedacht, dass wir unseren Kunstunterricht ins Freie verlegen und Bäume skizzieren sollen, echt eine Superidee bei dem Wetter, aber als er sieht, wie es draußen schüttet, zuckt er bloß die Schultern und sagt, dann würden wir uns eben einen guten Film anschauen. Gabriel strahlt.
    »Wow!«, brüllt David und sieht mich an.
    Ich hätte auch gern wow geschrien, weil ich natürlich für jede Abwechslung froh bin, tue es aber nicht, weil ich nicht so scharf auf Filme bin wie David und Gabriel. Mir reicht die Wirklichkeit voll und ganz.
    Aber der Film, den wir uns dann anschauen, ist wirklich sehr ungewöhnlich. Es ist einer der frühesten Filme von Ingmar Bergman, ich glaube, er heißt »Das siebente Siegel«. Er spielt im Mittelalter und handelt von einem Ritter und seinem Knappen, die von den Kreuzzügen heimkehren und feststellen, dass das Land von der Pest heimgesucht worden ist, einer schrecklichen Seuche, die durch Ratten verbreitet wird. Jeder dritte Mensch ist daran gestorben. Der Knappe begibt sich zu einem verlassenen Hof, um nach Wasser zu suchen. Der einzige überlebende Mensch auf dem Hof ist eine Magd. Sie darf den Knappen und den Ritter auf ihrer Fahrt durch das verwüstete Land begleiten. In einem Versuch, seinen eigenen Tod aufzuschieben, fordert der Ritter den Tod zu einer Partie Schach heraus, und in einer ziemlich gruseligen Szene sitzen der Ritter und der Tod einander gegenüber und spielen.
    Ich weiß nicht recht, ob ich alles verstehe, es ist eher einer von den Filmen, die einen zum Grübeln bringen, und als er zu Ende ist, dreht sich mir der Kopf. Da sehe ich Dinah und Gabriel völlig versunken nebeneinandersitzen und diskutieren. Gabriel gestikuliert und erklärt, Dinah legt den Kopf schief und nickt.
    »Abgefahrener Film, was, Gabriel?«, sage ich laut.
    Er fährt zusammen und sieht sich verwirrt um.
    »Echt lieb von dir«, flüstere ich Dinah zu.
    »Gabriel ist cool«, flüstert sie zurück.
    »Aber nicht so niedlich wie David Beckham«, sage ich.
    Da lacht Dinah und sieht Gabriel an, er lacht auch, und ich
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