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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition)
Autoren: Stefan Casta
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ungefähr die Figur eines Türstehers vor einer Kneipe, mit gutmütigen, leicht wehmütigen Augen unter den kurzgeschorenen Haaren. Er trägt immer dieselben unmodernen Kleider: ausgebeulte beige Hosen und darüber ein gelb- oder grünkariertes Hemd. Er ist knuffig wie der Bär Balu, aber wenn er sich aufregt, leuchtet sein ganzer Kopf wie ein rotes Stoppsignal.
    Er fährt total auf den Dichter Gunnar Ekelöf ab, wenn dir das was sagt, und die Zitate fliegen wie Vögel aus seinem Mund. »Ich wohne in einer anderen Welt, aber du bewohnst ja dieselbe«, kann er zum Beispiel sagen, wenn er einem an einem verschlafenen Morgen im Korridor begegnet. Nichts wie weg hier, dachte ich, als ich ihn das erste Mal in Schwedisch hatte. Aber inzwischen hat sich das radikal geändert. Jetzt kriege ich eine Gänsehaut, wenn ich diesen Satz höre. Es ist, als würde sich etwas Neues öffnen: ja, genau, eine Tür in eine andere Welt.
    So würde ich auch gern schreiben können. So, dass es sich neu und anders anfühlt. Wahrscheinlich ist es das, was Red Bull mir zu zeigen versucht. Manchmal sagt er, ich hätte eine Gabe. Du kannst schreiben, Judit, sagt er. Aber ich weiß nicht. Es ist, als reichten meine Worte nicht aus, um all das zu beschreiben, was ich zu erzählen versuchen will.
    Aber dieser Tag, ja, es ist ein kleiner trister Dienstag, fängt richtig mies an. David Beckham hat mich die ganze Nacht angesimst, aber ich habe nicht geantwortet, weil mich das manchmal einfach total nervt, und als er mich und Dinah am Morgen sieht, rastet er aus und schreit mich an.
    »Scheißfotze!«, brüllt er, dass es durch den Flur vor dem Klassenzimmer hallt.
    Das wiederholt er immer wieder. Die Eifersucht sprüht ihm nur so aus den Augen. Nur Dinah und ich sind mit ihm auf dem Flur. Ich selbst stehe nur da und höre zu. Hab schon Schlimmeres gehört. Aber plötzlich kriegt Dinah genug, sie geht hin und knallt ihm eine mitten ins Gesicht. Es ist, als hätte der Blitz in sie eingeschlagen, so wütend sieht sie aus. David Beckham schwankt und hält endlich den Mund. Dann sieht er erst mich verblüfft an, dann Dinah. Und genau da schlägt sie noch einmal zu. Als ihre Hand auf sein Gesicht trifft, klatscht es laut. Ich sehe das Blut, das ihm aus der Nase rinnt. Dinah schlägt noch einmal zu und dann noch einmal. David Beckham sinkt auf die Knie und hält sich die Hände vors Gesicht. Das Blut färbt seine Finger rot. Dina versetzt ihm einen Tritt in die Seite, und er kippt um.
    »Fahr zur Hölle, David Beckham!«, brüllt sie.
    Jetzt kommen auch andere Schüler gelaufen. Inzwischen ist Dinah außer Rand und Band. Sie will sich gerade auf den auf dem Boden liegenden David stürzen, als ein Paar starke Arme sie mit eisernem Griff packen und wegzerren.
    »So, beruhige dich, Dinah!«
    Das ist Red Bull. Dann kommt Gun-Helen angefegt. Sie wirft Dinah und mir erboste Blicke zu, wie eine Wespe, denke ich, dann geht sie neben David in die Hocke und legt die Arme um ihn.
    »Er hat doch angefangen, verdammt nochmal!«, schreie ich.
    »Beruhige dich!«, sagt Red Bull.
    »Was ist mit dir, David?«, fragt Gun-Helen.
    Langsam nimmt David die Hände vom Gesicht. Er starrt erst das Blut an, dann mich.
    »Scheißfotze!«, schreit er, aber mit kläglicher Stimme, dann fängt er hysterisch zu weinen an.

Der Tag des Jupiter
    Dies ist ein anderer Tag, vielleicht Donnerstag. Ist das wichtig? Na, jedenfalls ist es ein anderer Tag, gut möglich, dass es Donnerstag ist, weil der Donnerstag ein bisschen frecher ist als der zahme kleine Dienstag. Gabriel und Dinah sitzen in der Cafeteria und unterhalten sich. Ich komme von Gun-Helen. Wir hatten ein Gespräch, wie sie es nennt. Zum Glück ist ihr klar, wie alles abgelaufen ist und dass es David Beckham war, der angefangen hat. Das Dumme daran ist, dass es tatsächlich genauso war, denn darum halte ich David B. jetzt für den letzten Idioten und weigere mich, ihn auch nur anzuschauen. Ich weiß, dass er es bereut. Ich weiß, dass er nichts dafür kann. Ich weiß, dass er sich immer so schnell aufregt, wahrscheinlich hab ich das schon mal erwähnt, und dass er es eigentlich nicht böse meint. Aber diesmal hilft das nichts. Wenn ich jetzt Dinah und Gabriel zusammen sehe, verstehe ich, wie es richtig sein müsste. Sie haben die Köpfe zusammengesteckt und scheinen ganz ineinander und in ihr Gespräch versunken zu sein. Vermutlich reden sie über irgendeinen Film oder vielleicht ein Buch, denn auf dem Tisch liegt eins. Gabriel
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