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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition)
Autoren: Stefan Casta
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liebt es, über Bilder und Szenen zu sprechen, für ihn ist ein Buch nur ein erster Entwurf für einen Film, und jetzt geht mir auf, dass Dinah und er wahrscheinlich ihren gemeinsamen Nenner gefunden haben.
    »Hallo, Judit, nett dich zu sehen«, sage ich.
    Widerstrebend schauen sie von ihrer Zweisamkeit auf.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragt Dinah.
    »Okay«, sage ich. »Gun-Helen weiß ja, wie David ist.«
    »Darf er bleiben?«, will sie wissen.
    »Ist doch klar«, sage ich.
    Wir schweigen. Ich bilde mir ein, schon zu hören, wie die nächste Frage durch die Luft schwebt, bevor Dinah sie stellt: »Und ich?«
    Ich zucke die Schultern. »Passt schon. Ich hab einfach erklärt, was los war.«
    Dinah sieht mich fragend an.
    Ich weiß, woran sie denkt. Nach dem Streit mit David hat sie mir einiges über sich erzählt. Über die heftigen Stimmungsschwankungen, die sie nicht kontrollieren kann. Wenn sie in Wut gerät, kann die geringste Kleinigkeit sie so rasend machen, dass sie nur noch zuschlagen will, immer wieder zuschlagen, bis etwas kaputtgeht. Und manchmal kehrt sich diese Aggression nach innen, gegen sie selbst. Das ist dann, als würde etwas in ihr zerbrechen. Als würde das Licht erlöschen. Alles wird sinnlos. Einmal hat sie versucht, sich umzubringen. Mit dem Skalpell ihrer Mutter. Aber das hab ich Gun-Helen nicht erzählt. Vielleicht weiß sie es ohnehin schon.
    Darum halte ich jetzt Dinahs Blick stand und schüttle langsam den Kopf.
    »Echt beschissen, dass es so gekommen ist«, sagt Gabriel.
    »Könntest du mit David reden?«, frage ich.
    »Okay«, sagt er, aber dabei sieht er Dinah an. Und plötzlich begreife ich, dass sie eigentlich über etwas ganz anderes reden wollen. Sie schweigen kurz.
    »Wir haben einen geheimen Club gegründet«, sagt Dinah dann.
    Erst glaube ich, mich verhört zu haben, denn sogar in meinen kindischen Ohren klingt das total falsch.
    »Einen geheimen Club?«, frage ich skeptisch.
    Gabriel nickt. »Er heißt Der Grüne Kreis«, sagt er feierlich.
    »Wenn du willst, darfst du mitmachen«, sagt Dinah.
    »Aha. Vielen Dank«, sage ich. »Und was macht man so in diesem Club?«
    »Wir lesen.«
    »Bücher?«
    Dinah und Gabriel nicken.
    »Unter anderem.«
    Ich überlege kurz, dann sage ich: »Zur Zeit komm ich nicht viel zum Lesen.«
    »Das macht nichts«, sagt Dinah. »Es ist mehr ein Diskussionsclub. Wir unterhalten uns.«
    »Wird David auch dabei sein?«
    »Natürlich nicht. Andere Leute, wer dabei ist und wer nicht – das sind übrigens genau die Dinge, über die wir
nicht
reden werden«, sagt Gabriel.
    »Worüber reden wir dann?«
    »Über andere Dinge, Judit, wichtige Dinge.«
    Ich verstehe zwar nicht, was er meint, nicke aber trotzdem.
    »Okay. Hauptsache, David Beckham ist nicht dabei«, sage ich. Aber viel wahrscheinlicher geht es mir darum, dass Gabriel Dinah nicht total in Beschlag nimmt. Sie ist schließlich
meine
Freundin.

Der Tag des Merkur
    Irgendwann ist dann vielleicht doch Mittwoch. Irgendwann muss ja Mittwoch sein. Entschuldigt das Durcheinander, wie ich zu sagen pflege, wenn wir Chile con carne essen! (Ich weiß, es heißt Chili, aber ich sage eben immer Chile.) Doch darauf kommt es nicht an. Das, was später passiert, das ist wichtig. Dann wird es allerdings noch schlimmer. Noch verworrener und so. Aber vor allem wird es schlimmer. All das hier schreibe ich nur auf, um mich daran zu erinnern. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich jemand daran erinnert, wie es war, an die Einzelheiten, die Menschen, die Stimmungen, das Licht, die vielen Tiere. Irgendjemand muss sich an das alles erinnern. Wenn
ich
es nicht tue, wer sollte dann davon erzählen können?
    Wie auch immer, DB war wieder zurückgekehrt. Reumütig und beschämt, wie ein Bernhardiner mit eingezogenem Schwanz.
    »Mann, ich hab’s doch nicht so gemeint! Das musst du doch begreifen!« Solche Worte streute er vor mir aus. Aber ich weigerte mich, über sie hinwegzugehen, ich sah die scharfen Spitzen und wollte nicht drauftreten.
    »Zur Hölle mit dir, du Ork!«, antwortete ich. »Mich kannst du vergessen.«
    Ich hatte beschlossen, diesmal eisern zu bleiben. Ich wollte ihn zum Schwitzen bringen. Als er trotzdem herkam und den Arm um mich zu legen versuchte, fauchte ich nur: »Verschwinde!« Dann ging ich in mein Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu. Natürlich blieb er davor stehen. Aber dort konnte er lange stehen. Natürlich liebe ich ihn. Sonst würde ich mich ja nicht so über ihn aufregen.
    Aber jetzt setze
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