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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition)
Autoren: Stefan Casta
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ich mich an den Schreibtisch und blättere in einem von Dinahs Büchern. Es ist ein kompliziertes Buch über die Erde. Wie sie aufgebaut ist und so. Da steht, dass die Berge einst aus Lebewesen und Pflanzen gebildet wurden, die gestorben, in den Meeren versunken und zusammengepresst worden sind. Ein Zeitalter nach dem anderen liegt so in den Bergen, aufbewahrt in Streifen. Streifen aus erloschenem Leben. Zusammengepresst zu fast gar nichts, in ewiger Ruhe. Und auch wir und unsere Zeit werden dereinst zu Erde werden. Wenn wir vermodern, werden wir zu Erde, sowohl Hunde als auch Menschen und Schildkröten. Eine Handvoll Erde, ein Teelöffel voll Kalk. Und dann werden wir wahrscheinlich auch zusammengepresst und als kleine Streifen in einem Berg aufbewahrt. Wie eine Datei im Gedächtnis des Universums.
    Ich kapiere nicht besonders viel von alldem. Das sind so Sachen, an die denkt man nicht so oft. Zum Beispiel daran, dass alles, was auf diesem Planeten existiert, aus Staub von einem Stern besteht, der vor vielen Milliarden Jahren explodiert ist. Und dass die Erde der einzige uns bekannte Ort im Universum ist, wo es Flieder gibt und Freitage. Und solche Typen wie David Beckham.
    »Mensch, gib endlich auf, verdammt nochmal!«, schreie ich, weil ich höre, wie er draußen vor der Tür steht und lauert. Aber vielleicht schreie ich vor allem mich selbst so an. Um die Gedanken anzuhalten, das Karussell in meinem Kopf.
    Ich bin ein Stern, davon werde ich erzählen, denke ich.
    Dann lege ich das Buch weg und sehe aus dem Fenster. Draußen scheint die Sonne. Alle Fliederbüsche sind gleichzeitig erblüht, und ihr Duft schwebt wie Tränengas über der Stadt. Die Menschen liegen halb nackt im Gras und beschweren sich über die Wärme, weil der Flieder jetzt viel zu schnell verblüht. Aber hallo, ist das nicht besser, als dass es pausenlos regnet?

Der Tag der Einweihung
    Danach könnte irgendein beliebiger Tag sein, ist es dann aber doch nicht, weil es der Tag der Einweihung ist. Alle Neubauten sind fertig, viele Leute sind eingeladen, in der Kulturschule Vogelnest ist Tag der offenen Tür. Das Geräusch von Gun-Helens schnellen Absätzen hallt schon den ganzen Morgen wie das Trommeln eines Spechts durchs Schulhaus, und wir sind herausgeputzt wie Zirkustiere, die dem Publikum vorgeführt werden sollen.
    Sogar David Beckham hat einen sauberen Pulli angezogen. Er ist in guter Verfassung, konzentriert, aber nicht ruhig. Alles Mögliche kann passieren, so wie es bei einer Premiere sein soll!
    Ein weißer Lieferwagen voller Sandwichtorten wird vermisst. Ich stelle mir vor, dass jemand die Cateringfirma überfallen hat und jetzt mit Vollgas in den Wald brettert, um sich dort mit neun Superluxustorten vollzustopfen. Torten mit Krabben, Eiern, Lachs und Dillmayonnaise, vielleicht genau das Richtige nach den vielen gegrillten Steaks.
    Red Bull hat mitten auf der Holzterrasse an einer hohen Fahnenstange aus Aluminium die Fahne gehisst.
    Vorhin erst ist die neue, mit Solarzellen betriebene Videokamera angekommen, die wir für unser Filmprojekt brauchen. Der Ganser und Gabriel packen sie gemeinsam aus und benehmen sich, als wäre sie ein neugeborenes Baby, dem sie zum ersten Mal die Windeln wechseln. Dann richtet der Ganser die Kamera auf uns und zeigt Gabriel das Kurzvideo auf dem kleinen Display.
    »Wie hübsch ihr seid, Mädels!«, ruft er zufrieden, als er sieht, dass die Kamera funktioniert. Dinah streckt ihm die Zunge raus.
    Genau da brettert ein kleiner Lieferwagen im Rückwärtsgang auf den Schulhof und fährt fast in die neue Terrasse hinein.
    »Jetzt kommen die Fressalien!«, ruft der Ganser.
    »Endlich!«, schreit Gun-Helen und klappert hinaus, um dem flotten Fahrer ein paar passende Worte zu sagen.
    Ich selbst bin irgendwie neben der Spur, bin traurig, ohne zu wissen, warum. So geht es mir schon eine ganze Weile. Dinah hat versucht, mich zu trösten, aber vergebens. Die Ursache sitzt tiefer, und es gelingt mir nicht, sie zu packen. Vielleicht hat es mit David zu tun. Ich mag ihn, obwohl er ein Idiot ist.
    Alle Schüler decken gemeinsam einen langen Tisch auf der Terrasse. Wir stapeln Teller zu hohen Türmen, stellen lange Reihen von Champagnergläsern aus Plastik auf, in denen sich die Sonne spiegelt. Red Bull schießt scharf mit den Korken.
    Die Besucher strömen herbei, sie kommen über den Schulhof und werden von Schülern, die ein blaues Band um den Arm tragen, in die Gebäude gelotst. Zum Teil sind es unsere Eltern und zum
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