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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition)
Autoren: Stefan Casta
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meine Hand zu nehmen. »Nenn mich einfach Dinah.« Das fand ich gut.
    »Du bist also mit Nummer Zehn zusammen, Judit?« Es ist mir schleierhaft, wie sie das so schnell herausgefunden hatte, aber Dinah ist eben anders als die anderen. Sie ist unheimlich clever. Das weiß ich, schließlich sitzen wir nebeneinander. »Ist er nicht wahnsinnig süß?«, sagte ich, und da musste Dinah so sehr lachen, dass Red Bull zu ihr herkam.
    »Wenn du weiter bei Judit sitzen willst, solltest du dich anständig benehmen«, knurrte er.
    »Ich will auf jeden Fall weiter hier sitzen«, sagte sie. »Judit ist in Ordnung.«
    Als sie das sagte, hab ich mich riesig gefreut. So sind wir gleich am ersten Tag Freundinnen geworden.
    Dinah hat einen Golden Retriever, der heißt Pluto, aber während sie hier im Vogelnest ist, muss Pluto ohne sie klarkommen. »Ich hab einen Kater, Pompom«, sagte ich. »Er fehlt mir unheimlich, wenn ich hier bin.« Aber Dinah sagte, sie mache sich wegen Pluto keinen Kopf. Wenn sie nicht da sei, kümmere sich eben jemand anders um ihn. »Dein Vater, oder?«, sagte ich, aber da schüttelte Dinah so heftig den Kopf, dass für einen Moment sogar ihre Augen hinter dem Haarrollo zu sehen waren. »Der arbeitet in Sirap«, sagte sie, und ich kapierte irgendwie null, aber nach einer Weile musste sie lachen und erklärte, das sei Paris, nur rückwärts gelesen, und da musste ich auch lachen, und schon stand Red Bull wieder da und starrte uns an.
    •
    Als Dinah meine beste Freundin wurde, kümmerte sich David wieder mehr um Gabriel. Gabriel freute sich riesig, er hat’s nämlich nicht leicht. Er hängt meistens allein herum, und wenn jemand ihn fragt, behauptet er, er wolle seine Ruhe haben, aber in Wirklichkeit kommt es daher, dass er so schüchtern ist. Er trägt fast immer eine braune Baskenmütze und eine genauso braune Cordsamtjacke und wirkt so zurückhaltend und diskret, als käme er aus einer anderen Zeit als wir, irgendwie eher aus dem 20. Jahrhundert. Er und David sind total verschieden, und bestimmt ist das der Grund, warum sie sich mögen. Sie ergänzen sich perfekt. Wenn sie zusammen sind, wird Gabriel weniger schüchtern und David viel ruhiger. »Ihr solltet heiraten«, sagte Dinah, als David und Gabriel wieder mal die Köpfe zusammensteckten und über irgendein geheimes Projekt tuschelten, das sie gerade ausgeheckt hatten. Sie hatten immer irgendwas unglaublich Wichtiges am Laufen. »Wir sind an einer Sache dran, die kann die Welt retten«, verkündete David dann, und Gabriel errötete und nickte zustimmend.
    Gabriel ist schon genauso lange im Vogelnest wie David und ich. Er hat kein eigenes Tier, und das tut mir leid, ich weiß nämlich, dass er gern eins hätte. Eine Schildkröte würde ihm wahrscheinlich gefallen oder Fische in einem Aquarium. Das hab ich ihm auch gesagt. Aber seine Eltern erlauben es nicht. »Wir können keine Tiere in der Wohnung halten«, sagt er. Seine Eltern sind LKW -Fahrer und arbeiten tagsüber und manchmal auch nachts, darum geht das angeblich nicht. Ich finde ja, Schildkröten und Fische kann man trotzdem haben, weil man die schließlich nicht ausführen muss. Gabriel hat eine jüngere Schwester, die heißt Tora und geht in der Stadt in die Schule, und ich finde sie könnte ihm mit den Fischen helfen.
    Gabriel träumt davon, Regisseur zu werden. Sein Vorbild ist der große Regisseur Ingmar Bergman, falls du weißt, wer das ist. Gabriel hat alle Bergman-Filme mehrmals gesehen. In seinem Zimmer hat er eine Box mit Interviews, wo Bergman seine Filme analysiert. Manchmal bleibt er plötzlich stehen und zeigt auf irgendetwas, was keiner von uns anderen sieht. Dann hält er seine halbgeschlossene rechte Hand vors Auge, tut so, als würde er es filmen, und ruft: »Leute, das hier wird verdammt gut!« Dabei versucht er sogar, Ingmar Bergmans Stimme nachzuahmen. Anfangs fand ich das total peinlich, aber inzwischen ist es mir egal. Wir lassen ihn machen.
    In diesem Halbjahr haben wir in der Schule ein Filmprojekt in Angriff genommen, und Gabriel darf dabei assistieren. Er hat im Internet Hunderte von Seiten durchforstet und eine hochkomplizierte Videokamera ausgesucht, die dann von der Schule für uns angeschafft wurde.
    Ursprünglich hatten Gabriel und David je ein Zimmer für sich im Blauen Haus, aber als sie mit dem Umbau anfingen, hat Gun-Helen gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, ein Zimmer miteinander zu teilen. Es soll einen ganz neuen Wohnflügel geben. Und ein Hallenbad mit
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