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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl
Autoren: Juliet Nicolson
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Fahrer murmelten ihre Zustimmung über die Aufnahme Mosleys in das Beraterteam des Königs. Die Chauffeure einte die Angst, dass die Monarchie kurz vor dem Zusammenbruch stand, und als sich später der Fahrer des Herzogs
von York zu ihnen gesellte, spekulierten sie alle über die Rolle, die sein Boss in wenigen Tagen spielen mochte.
     
    Am Donnerstag, dem 10. Dezember, kletterte ein müder Sir Philip auf den Beifahrersitz des blauen Rolls-Royce. Als May den Wagen auf die Fahrbahn lenkte, zog Sir Philip seinen Hut ab und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie überquerten die Westminster Bridge. Mit der beginnenden Flut schoss das trübe graue Wasser rasch unter der Brücke dahin. Sir Philip fuhr sich mit den Fingern durch das ungekämmte lange Haar. Schließlich setzte er an zu sprechen.
    »Gott sei Dank, es ist alles vorbei. Edward VIII . hat das Dokument unterschrieben, und heute Nachmittag hat Mr Baldwin seine Stellungnahme verlesen. Morgen wird Großbritannien einen neuen König haben, und Sie und ich haben uns eine Ruhepause verdient.«

24
    Nach einem Pint mit Nat im Queen's Arms hatte Sam sich auf den Heimweg gemacht. Er war froh, dass es Freitag war, und freute sich auf das Wochenende, das er mit seiner Schwester, mit Sarah, besonders aber mit Nat verbringen würde. Sam betrachtete seinen Cousin inzwischen mit der Zuneigung und dem Vertrauen, die eines Bruders würdig waren.
    Der Pub war mit Stammgästen gefüllt gewesen, und Danny, der royalistischste Wirt von Bethnal Green, hatte die Cousins wie immer mit einem freundlichen »Willkommen« begrüßt.
    »Ich hätte gerne einen Rat von euch beiden«, verkündete er, als er zwei Gläser bis zum Rand mit selbstgebrautem Bier füllte. »Ich habe ein Problem«, sagte er und zeigte hinter sich. »Ich möchte wissen, welches von denen den Ehrenplatz einnehmen soll.«
    Vor einer Batterie staubiger Flaschen hinter dem Tresen lehnten dieselben drei Fotos wie schon zu Beginn des Jahres: eines von Königin Mary mit ihrer Perlenkette neben George V . am Tag seiner Krönung und ein anderes, auf dem beide aus der Karosse winkten, in der sie während ihres triumphalen Jubiläums im Vorjahr durch London gefahren waren. Daneben hatte Dannys Frau Ruth ihre Jubiläumsstickerei gestellt. Auf den Stickereikarton waren zwei Verse aufgenäht:
     
    Fürst der Sportler, brillanter Schütze,
    Seine Jacht ist seine größte Stütze.
     
    Seit Nat zuletzt hingeschaut hatte, hatte sich der Kollektion ein viertes Foto hinzugesellt, auf dem ein grinsender Edward VIII . keck eine Zigarette im Mundwinkel hängen hatte, ein oft vervielfältigtes Bild aus Zeiten, als er noch Prinz von Wales gewesen war.
    »Also, ich frage mich, ob ich es wagen soll, das neue aufzustellen?« Inzwischen lachte Danny. »Ich meine, man weiß ja nie, wer als Nächstes kommt. Erst George und Mary, dann Edward, rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, und jetzt Albert. Was für ein Karussell das Ganze ist, was, Nat?«
    Nat und Sam tranken ihren ersten Pint am Tresen und besprachen mit Danny die schockierende Nachricht über die Abdankung. Erst als sie den zweiten Pint bestellten, schlug Sam vor, sich an einen ruhigeren Tisch in der Ecke zu setzen. Er wollte allein mit seinem Cousin reden. Als Sam den Inhalt des Briefes, den Bertha geschickt hatte, für Nat zusammenfasste, zeigte sich dieser wenig erstaunt. Es stellte sich heraus, dass er in Mays Geheimnis bereits eingeweiht war. Beträchtlich erleichtert gestand er Sam, dass seine Mutter Gladys ihn bei seinem letzten Besuch im Gefängnis von Holloway zur Verschwiegenheit über einen Inder verpflichtet hatte, der früher einmal ihre Schwester geliebt habe. Obwohl durch mangelnde Ernährung furchtbar geschwächt, war Gladys entschlossen gewesen, das Familiengeheimnis nicht mit ins Grab zu nehmen. Trotz seines jungen Alters hatte Nat gespürt, wie tief die Liebe seiner Mutter zu ihrer Schwester war. Später hatte er seiner Tante Edith in Barbados geschrieben. Er bat sie, ihm von dem Familiengeheimnis zu berichten, das seine Mutter in ihren letzten Tagen angedeutet hatte. Ediths Antwort enthielt, möglicherweise aus einem Gefühl der Erleichterung, ihr Geheimnis endlich teilen zu können, die gesamte Geschichte mit Nishy. Nat versprach postwendend, sollten sie und ihre Kinder jemals Beistand benötigen, werde er seiner Mutter zuliebe alles tun, um zu helfen.
    »Es gibt zwei Dinge, die ich sagen möchte«, begann Sam mit neuem Zutrauen, das Nat nicht entging.
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