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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl
Autoren: Juliet Nicolson
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umfassendes Verständnis für die spirituelle Bedeutung der bevorstehenden Krönung habe. Die britische Presse, die über die Beziehung des Königs mit Mrs Simpson so lange Stillschweigen bewahrt hatte, deutete die Zweifel des Bischofs als den langerwarteten Freibrief, die ganze Geschichte zu enthüllen.
    Eine Woche lang hatte Sir Philip jeden Morgen auf dem Weg zum Unterhaus oder nach Fort Belvedere angespannt auf dem Beifahrersitz der Limousine gesessen und, während May ihn durch die Straßen Londons und über die Landstraßen von Berkshire und Surrey fuhr, aus der Zeitung vorgelesen. Unter der Schlagzeile »König und Monarchie« hatte die Times enthüllt, dass Teile der ausländischen Presse »eine mit dem Thron unver
einbare Eheschließung« vorhersagten. Noch hatte der Premierminister keinen öffentlichen Kommentar abgegeben, obwohl sein überraschend bescheidenes Fahrzeug während dieser weniger hektischen Tage oft in der Auffahrt des Forts geparkt war. Am Freitag, dem 4. Dezember, berichtete die Times unter der Schlagzeile »Heirat eines Königs«, Mr Baldwin habe dem Unterhaus versichert, »ein verfassungsrechtliches Problem bestehe derzeit nicht«; zwei Tage später erhielten die Leser endlich Aufschluss über die Frau, die der Mittelpunkt des ganzen Dramas war.
    »Mrs Simpson hat am Donnerstagabend England verlassen. Ihr Reiseziel ist anscheinend Cannes.«
    Am Sonntag hatte May abermals frei und ging mit Rachel ins Kino. Zusammen mit den anderen Zuschauern sprangen die beiden Frauen auf und sangen lauter denn je die Nationalhymne, gefolgt von einem begeisterten For he's a jolly good fellow .
    Mrs Simpson hatte eine persönliche Presseerklärung mit folgendem Wortlaut herausgegeben: »Mrs Simpson ist gewillt, sich aus einer unglücklichen Situation, die unhaltbar geworden ist, umgehend zurückzuziehen.«
    »Nein so was! Was für eine Frechheit!«, schäumte Rachel. »Daran hätte sie vorher denken sollen, Simon, findest du nicht? Was wird seine Mutter jetzt denken? Mir tut Mary leid. Königin oder nicht, sie ist eine Mutter und dürfte genauso bekümmert sein, wie wir alle es wären.«
    An jedem Tag der darauf folgenden Woche drängten sich die Abgeordneten in Erwartung einer Stellungnahme von Stanley Baldwin über die endgültige Entscheidung des Königs im Sitzungssaal des Parlaments. Jeden Tag gingen sie so klug, wie sie gekommen waren, wieder nach Hause. Sir Philip und Mr Monckton waren nur zwei der Ratgeber, die durch die Türen des Forts, des Parlamentsgebäudes, von Buckingham Palace und Downing Street Nr. 10 eilten. In den Dienstbotenfluren, auf Parkplätzen und Straßen versammelten sich neben den Fahrern, die für Mr
Winston Churchill, Mr Duff Cooper und Sir Oswald Mosley arbeiteten, die Chauffeure, die im Dienst des Erzbischofs von Canterbury, des Premierministers, des Schatzkanzlers Mr Joseph Chamberlain, des Außenministers Mr Anthony Eden und des Innenministers Mr John Simon standen.
    Den meisten dieser Fahrer war May wohlbekannt. In den vorangegangenen elf Monaten hatte sie lange Stunden in ihrer Gesellschaft verbracht, während sie darauf warteten, dass Sir Philip und die anderen Arbeitgeber ihre Zusammenkünfte beendeten, von denen Entscheidungen von nationaler Bedeutung abhingen. Hatten sich diese Klartext redenden, Tabak rauchenden Chauffeure anfangs noch überrascht gezeigt, dass eine Frau in ihre Reihen aufgenommen worden war, so hatten sie doch, genau wie die Taxifahrer, rasch gelernt, Mays Professionalität zu respektieren und im Stillen ihr Aussehen zu bewundern. Tatsächlich waren sie auf Sir Oswalds Fahrer neugieriger als auf May. Bei Woodbines und Tee wurde der Mann, der den Führer der britischen Faschisten zum Marsch durch die Cable Street und einmal nach Cuckmere gefahren hatte, aufgefordert, seine Anwesenheit in dieser erlesenen Gruppe zu rechtfertigen.
    »Soweit ich es auf meiner Seite der Glastrennscheibe verstanden habe«, erklärte er, »glaubt Mr Baldwin, Sir Oswald könnte helfen, den König zur Vernunft zu bringen, was seine Geliebte anbelangt. Und im Grunde genommen ist er gar nicht so schlecht, Sir Oswald, wisst ihr. Er hat Ideen, die einige Leute reizvoll finden. Nehmt meine Alte. Sie sagt, Mosley macht den Frauen ein gutes Angebot. Als Parteimitgliedern bietet er ihnen dieselben Rechte an wie den Männern. Ihre Freundinnen stimmen ihr zu – Sir Oswald redet vernünftig. Ich seh das zwar anders«, fügte er hinzu, »aber 'n Job ist 'n Job, oder?«
    Die anderen
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